Heiter bis modisch

HEUTE TRAG' ICH GUTE LAUNE

Gestern wurde ich von einem Verkäufer auf mein schulterfreies Oberteil angesprochen. „Sind das kleine Planeten da auf Deinem Top?“, fragte er freundlich und wies auf die von Vika Gazinskaya für &Other Stories gekritzelten Kugelschreiberkreise auf meinem weißen Baumwollhemd. „Ja“, antwortete ich fröhlich und schaute an mir herunter, „und wenn mir langweilig ist, dann nehme ich einen Stift und kritzle noch kleine Ufos und Außerirdische dazu.“

Ich habe eine Schwäche für heitere Kleider. Als Sechsjährige besaß ich mal ein rosa T-Shirt, auf dem bestickte Hackenschuhe und die krakelige Aufschrift „Shoe addict“ zu sehen waren. Ich hatte keine Ahnung, was ein „Shoe addict“ ist, aber die Schuhe gefielen mir, was letztlich aufs Gleiche hinausläuft. Ein anderes T-Shirt war grasgrün und mit dem Slogan „I may be small, but I am the boss“ bedruckt. Mit 14 kaufte ich in Paris ein blaues Hemd, auf dem lauter grinsende Hundegesichter mit Törtchen auf dem Kopf abgebildet waren. Ein paar Jahre später bastelte ich mir Ohrringe aus Papier-Kussmündern, die ich aus der Vogue ausgeschnitten hatte, und bis heute habe ich es nicht übers Herz gebracht, die goldene Plisseehose, die wir hier sehen und die wie das Produkt einer Kollaboration zwischen Ali Baba und Issey Miyake aussieht, endlich aus meinem Kleiderschrank auszusortieren. Warum auch? Diese Hose ist der Inbegriff modischer Heiterkeit. Immer, wenn ich sie trage, fühle ich mich so beschwingt wie ein Papagei auf Weltreise.

Das würde mir in einem Paar schwarzer Jeans bestimmt nicht passieren. Darin könnte ich toll Fahrrad fahren, im Supermarkt einkaufen, in München herumlaufen und den Müll hinunter bringen – lauter langweilige Alltagsaktivitäten. Für den Ausbruch aus der täglichen Routine muss man aber nicht gleich ins Flugzeug steigen. Ein komisches Kleidungsstück reicht vollkommen aus. Ich schlüpfe nur eben schnell in meine goldene Plisseehose und mein schulterfreies Planetenhemd und schon möchte ich Bäume ausreißen und irgendwas Verrücktes unternehmen. In so einem Outfit kann man schließlich nicht zuhause bleiben oder an der Supermarktkasse herumstehen.

Und selbst wenn eine schwarze Jeans alltagstauglicher und praktischer wäre, während meine goldene Hose zu fast gar nichts passt und ständig in den Speichen meines Fahrrads hängen bleibt – was macht das schon? Man darf auch mal daneben greifen, nämlich nicht in den Kleiderschrank, sondern in die Verkleidungskiste. Mit einer Plisseehose an den Beinen, einer Herzbrille auf der Nase, irgendwas mit Federn oder Fransen am Körper und bestenfalls noch einem Hut auf dem Kopf kann ich mich an einem beliebigen Montag so fühlen, als wäre ich gerade auf dem Weg zu einem jamaikanischen Hochzeitsfest. Oder zu einem Live-Auftritt von ABBA. Oder in die Uni, wo mich die Leute entgeistert anstarren und mich für eine entlaufene Darstellerin der neusten Glitzershow des Friedrichstadtpalastes halten. Mode ist Lebensgefühl zum Überziehen, und heute trag‘ ich gute Laune.

Plisseehose: Vintage (Familienerbstück), Top: Vika Gazinskaya für & Other Stories, Sandaletten: & Other Stories