Klein, aber Kopenhagen

ÜBERRASCHUNGEN AUS DER NÖRDLICHSTEN MODEMETROPOLE EUROPAS


Die Gummilatschen mit farbigem Kaninchenfellbesatz erinnern irgendwie an den Verkaufsschlager der letzten Sommerkollektion von Céline, ebenso wie die voluminöse Silhouette des Oversize-Mantels, in dem Lindsey Wixon am Freitagnachmittag über den Laufsteg im Kopenhagener Rathaus rauscht. Man könnte diesen Anklang einen schlechten Abklatsch schimpfen, dann allerdings entginge dem missbilligenden Betrachter ganz offensichtlich der individuelle Esprit, den die Designerin Freya Dalsjø ihrer farbstarken Kollektion aus raffiniert geschichteten, seitlich geschlitzten Seidenkleidern und Neopren-Mänteln mit Pelzkragen in irisierendem Poolblau, Kupfer und Knallorange verliehen hat. Die Anlehnung an das große französische Luxuslabel ist kein mieses Plagiat, sondern eine Verbeugung gegenüber dem, was in der internationalen Modewelt heutzutage tatsächlich mithalten kann.

Freya Dalsjø – das war eine der zahlreichen, feinen Neuentdeckungen der diesjährigen Copenhagen Fashion Week, zu deren Anlass ich in der vergangenen Woche wieder einmal im Auftrag der VOGUE in der dänischen Hauptstadt verweilen durfte. Kopenhagen ist ein malerischer Ort, im Schauenkalender des Modejahrs für die meisten Fachleute aber noch keine wirklich obligatorische Station. Welch ein Irrtum!

Zwar gibt es natürlich auch hier, in dieser aufstrebenden kleinen Modestadt, ein paar schwarze Schafe, die mit teils
sehr fragwürdigen Entwürfen fern des Zeitgeists eine primär provinzielle Fangemeinde
anzusprechen scheinen. Zum Beispiel die etwas plumpe Benikte Utzon, die man mitsamt ihrer sandfarbenen Kunstlederhandtaschen, den gerüschten Maxiröcken und dem von Rosenblättern bedeckten Laufsteg vielleicht lieber wegsperren sollte. Oder Michael Kristensen, den Chefverwirrten hinter dem Label MI-NO-RO, bei dessen Schau die versammelte Gemeinde der dänischen Ü50-Powerfrauen in dramatisch hässlichen weißen Lederhemden und zerknitterten Yogahosen über den Laufsteg marschierte, begleitet von Standing Ovations des offensichtlich schwer begeisterten Publikums.

Begeisterung ist allerdings eine Gefühlsregung, auf die sich die selbstbewussten Dänen generell ganz gut zu verstehen scheinen. Und solange sie der Handvoll von wirklich ambitionierten Kopenhagener Kreateuren gilt, die mit ihren fellbesetzten Badelatschen und anderen sehenswerten Raffinessen als Modeschöpfer auch auf internationalem Parkett an Einfluss gewinnen könnten, stimmt die angereiste Fachpresse gerne beim Applaus mit ein. Bei Anne Sofie Madsen etwa, die mit dekonstruierten und neu zusammengeschnürten Baseball-Panzern, kantig geschnittenen schwarzen Bikerwesten, Bustiertops mit trapezförmigem Rücken-Cutout und ledernen Overknee-Gamaschen glänzt.  Bei Wood Wood natürlich, dort, wo der Begriff der unverschämten Lässigkeit mit Fischerhütchen, gestreiften Jeansjacken, gemusterten Radlerhosen unter Bermuda-Shorts und zerzausten Flechtfrisuren neue Dimensionen erreicht. Oder auch beim Laufsteg-Debütanten Mark Kenly Domino Tan, dessen  Kombination aus schwarzem Bustierkleid und perfekt geschnittener Anzughose sowohl streng konzeptuell als auch sinnlich und elegant anmutet.

Die Modewelt ist eine übersättigte Branche, weshalb es gewiss schwer sein mag, als die kleine Schwester im Windschatten der großen Metropolen New York, London, Mailand und Paris zu segeln. Umso erfreulicher aber, wenn man sieht, dass in den Ateliers des zauberhaften Kopenhagen durchaus nicht gefaulenzt wird.

Zum VOGUE-Bericht geht es hier entlang.