Vital im Body

Soweit ich weiß, wurde der Body, oder auch Bodysuit, ein der amtlichen Definition nach „einteiliges, eng anliegendes Kleidungsstück aus dehnbarem, meist gewirktem Material“ (siehe Wikipedia), erstmals in den 1980er Jahren auch außerhalb des Fitnessstudios salonfähig. In meinem Lieblingsbuch „Schnellkurs Mode“ von Getrud Lehnert lese ich, die ich diese sicherlich höchst dynamische Epoche leider nicht mitbekommen habe: „Aerobic war der Modesport der 1980er Jahre und brachte auch eine eigene Mode hervor. Man brauchte knallbunte, körperbetonte Trikots und Leggings, bunte Stirnbänder, Legwarmers und spezielle Schuhe dafür. Bald fand diese Sportmode Eingang in die Alltagsmode, und alle Frauen, ob sportlich oder nicht, trugen plötzlich Leggings und Turnschuhe, Legwarmers und Stirnbänder (…) Wenn man schon keinen Sport machte, wollte man wenigstens so aussehen.“ 

Eine ähnliche Entwicklung ließ sich nun auch in unserer Zeit jüngst wieder beobachten: zu den wohl populärsten Modeerscheinungen der vergangenen Sommersaison zählte ganz offenkundig der Sportswear-Trend. So gut wie jeder, ob ultra-sportlich und schwerfällig-faul, trägt plötzlich Nike Free zum Bleistiftrock, Bomberjacken und Sneakers mit verstecktem Absatz.
Allerdings durfte der Bodysuit im Zuge dieses Trends kein Comeback feiern. Möglicherweise deshalb, weil ein Body eben, anders als Nike Free und Bomberjacken, gnadenlos verrät, wer denn nun tatsächlich allmorgendlich seine Joggingrunde dreht oder eigentlich nur mithilfe fettfreier Kartoffelchips die eigene Form zu wahren versucht.

Dabei halte ich gerade den Bodysuit für ein ungemein vitalisierendes und dynamisierendes Kleidungsstück.  Während die heutzutage so populäre Oversize-Bekleidung den Körper in gelegentlich reichlich bewegungshemmender Manier einlullt, lädt ein elastischer, hautenger Körperanzug zu diversen gymnastischen und turnerischen Übungen ein, die die Trägerin ganz nonchalant in ihr Alltagsleben einbauen kann. Treppensteigen und Zur-U-Bahn-Flitzen gestaltet sich in einem Bodysuit weitaus einfacher als in einem bodenlangen Maxikleid. Zudem sitzt ein Body immer perfekt und verrutscht nie.

Generell genießt der Body jedoch wie gesagt ein noch immer eher bescheidenes Maß an Popularität. Vielleicht hallt das Trauma der geschmacksverirrten Achtziger Jahre (nicht meine Meinung!) noch zu stark nach. Vielleicht liegt es aber auch an der dubiosen Fortsetzung seiner Vorgeschichte:  denn auf die Phase des Aerobic-Hypes folgte in den 90er Jahren die Verbreitung des Bodysuits als Unterwäsche für Männer.

Wer möchte schon gerne in einstige Unterwäsche gekleidet herumlaufen?

Interessant ist nun aber, dass der Body wohl dank eines einzigen Modelabels sein verdientes Revival feiert: Maison Martin Margiela integrierte in seine Gast-Kollektion für H&M einen Body, der zudem, um zum Unterwäsche-Thema zurückzukehren, in hautfarbener Ausführung mit eingearbeitetem schwarzem BH daherkommt, und dank seiner passgenauen, ja fast modellierenden Form jegliche weitere Unterwäsche entbehrlich macht.

Seit dem 15. November turne nun auch ich in diesem einzigartigen Stück durch die Gegend. Selten habe ich mich so dynamisch und fit gefühlt wie in meinem Margiela-Bodysuit. Auch eine gute Haltung ist in diesem Outfit essentiell, weil der direkt über der Hautoberfläche spannende Stoff ansonsten jede Ausbuchtung und Fleischwölbung exponiert. Gewissermaßen ist der Bodysuit damit das verstofflichte Motivationsobjekt für Sport, Fitness und eine aufrechte Haltung. Damit erlaubt es uns der Body aber auch, endlich wieder einmal die „echte“ Silhouette des Körpers zu zelebrieren. Meine Mutter dürfte entzückt sein, denn prinzipiell darf ich mir von ihrer Front den Kommentar anhören, bei meiner androgynen Figur könnte doch etwas körperbetontere Bekleidung statt all der formlos geschnittenen Zeltumhänge nicht schaden.