Classic: Die Marlenehose

Jetzt, wo ich in einer anderen Stadt lebe, ausgezogen bin aus heimatlichen Gefilden, meinen eigenen Haushalt habe, ganz erwachsene Gespräche mit Hausmeistern und Heizungsinstallateuren führe und lieber Lampen und Sessel als Haarspangen und Kaugummi kaufe, nun also, wo ich mich gänzlich der Adoleszenz entwachsen und damit vollkommen selbstständig fühle, ist es Zeit, auch modisch gesehen mal zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Marlenehose ist für mich immer das Sinnbild erwachsener Bekleidung gewesen, als Kind bewunderte ich die selbstbewusste Attraktivität, die große, schöne, berufstätige Frauen in ihren leicht das Bein umspielenden weit geschnittenen Hosen ausstrahlen, grandios und unter Garantie immer chic mit High Heels und fließenden Blusen kombiniert. Benannt nach der großen deutschen Schauspielerin Marlene Dietrich, die in diesem Look eine Eleganz der subtilen Verführung salonfähig machte, gilt die Marlenehose heute noch immer als echter Modeklassiker. Trotzdem sieht man selten Frauen in weiten Beinkleidern: mit ihrem nicht unbedingt auf den ersten Blick sichtbaren, versteckten Reiz können offenbar nur wenig Leute etwas anfangen, während die kneifend enge Röhrenjeans hingegen seit vielen Jahren zum ständigen Grundrepertoire jedes weiblichen Kleiderschranks gehört. Zu meinem natürlich auch.

Was sind wir Frauen doch faul und feige! Anstatt uns, die wir doch alle, ohne es zugeben zu wollen, sowieso ständig mit unserem Äußeren beschäftigt sind, einmal einen echten Klassiker, ein zeitlos geniales Stück Mode, näher anzusehen, kopieren wir lieber allmorgendlich Kate Moss‘ abgedroschenen Rock-Chic, der dieses Attribut meiner Ansicht nach überhaupt nicht verdient hat.
Deshalb zögerte ich kürzlich auch keine fünf Sekunden, als mir bei Weekday eine feine schwarze Hose aus der Weekday Collection begegnete, heruntergesetzt auf budgetfreundliche 25 €, und das trotz hervorragender Verarbeitung und erstklassigem Material. Kein Wunder, dass dieses hübsche Stück im Sale landen musste, am Ende kaufen die Weekday-Kundinnen trotz ihrer wahnsinnig originellen Einstellung ja doch den Bestseller des Hauses: die Röhrenjeans. Ich allerdings verließ nun endlich einmal mit einem mutigeren Einkauf, nämlich jener feinen Marlenehose, selig und zufrieden die Weekday-Filiale. Kombiniert zum ebenso klassisch-zeitlosen Ringelhemd, High Heels, Kastenjacke und pinkfarbenen Autofahrer-Handschuhen fühle ich mich damit endlich einmal richtig frei und unbeschwert – so eine Skinny-Jeans betont am Ende ja doch nur irgendwelche fiesen Oberschenkelwölbungen und sorgt dabei auch noch für eine eingeschränkte Atmungsfunktion.

Jacke und Shirt: Vintage. Schuhe: Zara. Handschuhe: Kaufrausch. Kussmund-Ohrringe: selbstgemacht.