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Von links nach rechts und oben nach unten: Wendy’s Lookbook, Bryan Boy, Wendy’s Lookbook, Le Blog de Betty, The Blonde Salad, Sincerely Jules |
Sperrt man eine Handvoll international renommierter Modeblogger zwei Tage lang in eine riesige Boutique voll herrlichster Kleider, Handtaschen und High Heels von Designern wie Balmain, Peter Pilotto oder Valentino, damit sie sich dort einmal nach Lust und Laune einkleiden und anschließend auch noch professionell fotografieren lassen dürfen, so kann man doch annehmen, dass das Ergebnis eines derartigen Unternehmens ganz außergewöhnlich und spannend ausfallen müsste. Am ersten Januarwochenende dieses Jahres lud der italienische Onlineshop Luisa Via Roma eine ausgewählte Crew von aus diversen Kontinenten eingeflogenen Bloggern zum zweitägigen Style Lab nach Florenz ein, was zu Deutsch so viel wie Verkleidungsparty bedeutet und den geladenen Gästen eben jene Möglichkeit bieten sollte, ganz unbeschwert die edelsten Zwirne, frisch und direkt vom Laufsteg geordert, selbst anzuprobieren und sich darin vor florentinischer Kulisse ablichten zu lassen. Als neutrale Beobachterin dieses Spektakels war ich ebenfalls angereist und hoffte nun, wie gesagt, die verkleidete Blogger-Gesellschaft im besonders originellen Aufzug anzutreffen. Zugegen waren unter Anderem einige der weltberühmtesten Stars der Szene, etwa der unübertreffliche und sowohl optisch als auch akustisch schwer zu verfehlende Bryan Boy sowie die Erfinderin des Blonden Salats, nämlich Chiara Ferragni – angesichts eines solchen Aufgebots an Modeikonen war ein inspirierend-extravagantes Outfit nach dem Anderen doch zu erwarten. Wenn man schon zu einer derart oberflächlichen, wenn auch überaus glamourösen Veranstaltung eingeladen wird, so wird man Ansprüche dieser Art ja wohl stellen dürfen.
Erstaunlicherweise schienen sich die anwesenden Herrschaften in erster Linie darauf geeinigt zu haben, dass man vor allem gut aussehen müsse, die verführerische Ausstrahlung, dank der sich die Damen und Herren Modeblogger schließlich immer so hervorragend auf ihren Webseiten dem Publikum zu präsentieren wissen, durfte schließlich auch bei dieser Foto-Session nicht leiden. Signorina Chiara, deren Seite über 200.000 Facebook-Nutzern gefällt und die ich persönlich für reichlich überflüssig halte (nein, ich bin nicht neidisch, sondern ganz im Gegenteil vielmehr erleichtert über mein persönliches Maß an Schamgefühl, das mich davon abhält, in einer Wanne voller Salatköpfe zu posieren!), entschied sich nach eingehender Sichtung des LVR-Sortiments für ein Outfit aus violett schimmerndem Burberry-Trenchcot und ebenfalls glitzernden Keilabsatz-Booties. Ich frage mich: ist eine Modebloggerin, die sich ihrer Spezies entsprechend hauptsächlich mit Kleidung und Accessoires beschäftigt, nicht zu etwas geistreicherer Extravaganz fähig? Wir modisch orientierten Online-Autoren werden heutzutage selbst von anspruchsvollen Tageszeitungen als Vorreiter, als „die wahren Models“ der Modewelt bezeichnet, angeblich haben wir einen Riecher für innovative Looks und vermögen damit ganze Landstriche modehungriger Teenager mit Anleitungen für abenteurliche und stilbildende Outfits zu versorgen. Dass dieser Eindruck nicht täuscht, sollte dann doch auch zu den Hauptambitionen aller aufrichtigen Vertreter unseres Berufszweiges zählen.
Ich will mich an dieser Stelle gar nicht besser darstellen als meine zahlreichen, internationalen Modepüppchen-Kolleginnen. Aber es enttäuscht mich zutiefst, gerade jene so besonders erfolgreichen Internetstars, die mit ihren jedermann frei zugänglichen Blogs sicherlich auch zur Demokratisierung der Modewelt beigetragen haben, heute in solch abgehoben-uninspirierten Sphären wandeln zu sehen. Übersättigt, ja fast beschwipst von manchmal über 200 durchweg begeisterten und groupiehaften Kommentaren unter ihren Outfitposts, in denen auf zehn verschiedenen Bildern ein und derselbe Look gezeigt wird, drehen sich die Inhalte ihrer Onlinemagazine meist nur noch um: gar keine Inhalte. Sondern um reine Selbstinszenierung, reine Selbstvermarktung, reinen, mich neidlos anwidernden Narzissmus. Und darunter hat, wie ich nun in Florenz feststellen musste, ganz offensichtlich auch die individuelle Kreativität der zu Stilköniginnen gekrönten Bloggerinnen gelitten. Mit ihrem violett schimmernden Trenchcoat gehört Chiara Ferragni sicherlich noch zu den exzentrischeren Teilnehmerinnen des Events, während die zuckersüße Shea ein Outfit wie aus der ZARA-Vitrine geklaut präsentiert und sich dazu, ganz toll, die natürlich blonde Rapunzelmähne zu perfekt fallenden Wellen stylen ließ. Aimee Song von Song of Style trägt die mittlerweile in jeder Fußgängerzone präsente Jogginghose mit, hui, High Heels zur Schau. Und die Pariserin Valentine, so nett und sympathisch sie mir auch erschien, macht es in ihrem engen, goldschimmernden Paillettenkleid auch nicht besser. Dass das alles schön und gut aussieht, will ich gar nicht bestreiten – „Inspiration“ für schöne und gute Klamotten, in denen ich unter Garantie immer toll aussehe, kann ich mir aber auch mithilfe einschlägiger Modeberatungsmagazine wie InStyle und Glamour aneignen. Von Bloggerinnen, die sich heute selbst als Avantgarde der Modewelt begreifen und dank dieses Status‘ in vielen Fällen sogar die front rows in Mailand und Paris besetzen dürfen, erwarte zumindest ich persönlich mehr als Beratungstipps zum Gutaussehen – nämlich Ideen und Vorschläge für neuartige Stilrichtungen, die ein Art innovatives Gutaussehen präsentieren und vielleicht sogar etablieren.
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Foto: Wendy’s Lookbook – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
PS: Natürlich habe auch ich während des Firenze4Ever-Wochenendes nicht durchgehend tatenlos herumgestanden. Als Co-Modell durfte ich der zauberhaften Anja von Modeopfer110 assistieren, die sich, als vielleicht einzig wirklich exzentrische Teilnehmerin des Events, einfach ganz frech in der Abteilung der Männermode bediente. In unserer parodistischen Fotostrecke darf ich unter Anderem die Rolle der außerirdischen Amazonin an der Seite eines schizophrenen Transvestiten spielen. Ob wir mit unserem Gesamtkunstwerk nun wahren, inspirierenden Innovationsgeist beweisen oder eigentlich auch nur von boshaftester Selbstgefälligkeit zerfressen sind, möchte ich an dieser Stelle meine geschätzte Leserschaft entscheiden lassen. 
Fotos: ©Tommaso Gesuato

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