Rennen in gestrickten Schuhen

Um Leute mit Erfolg zum Sport zu überreden, mag man in früheren Zeiten zu drastischen Maßnahmen gegriffen haben – heute reicht ein federleichtes, pinkfarbenes Laufschuhmodell aus gestricktem Garn, praktisch gesehen eigentlich mehr Strumpf als Schuh, und schon will jedermann gleich losrennen. So geschehen jedenfalls bei der Präsentation der neuesten Erfindung des globalen Sportartikelmarktführers Nike am Mittwochabend. Head of Innovation Ben Shaffer, Amerikaner mit fluidem Akzent und üppig wuchernden Rauschebart,  kurz gesagt eine sympathische Kreuzung aus Nerd und Silicon-Valley-Hipster, war eigens nach Berlin gereist, um versammelten Pressevertretern den Nike Flyknit Lunar1+ vorzustellen – einen Treter, der einer bloßen Beschreibung nach ebenfalls ein wenig nach Nerd klingt. Gestrickt? Ein Laufschuh? Aber hallo. In einer Welt, in der Apple-Mobiltelefonisten Quinoa und Tofusteak bei Bio Company in Berlin-Mitte erwerben, die eingekauften Eine-Welt-Bananen auf dem Rennrad nach Hause radeln und moralisches Überbewusstsein überhaupt und sowieso als größter Trend der Neuzeit gilt, scheint ein nach  Handarbeitstradition hergestellter Laufschuh mehr als logisch – und das zudem in einer Zeit, in der sogar die Modewelt das sportliche Schuhwerk zum ästhetischen Alltagsbegleiter erhoben hat.

Zurück zum Mittwochabendprogramm: außer Ben Shaffer und einigen netten Kollegen aus Blog- und Zeitungsszene waren auch die Nachwuchsathletinnen und Nike-Botschafterinnen Jana Sussmann und Gesa Krause zugegen, die natürlich kein Mensch kennt, und das, obwohl zum Beispiel erstere der beiden Damen utopisch herrliche Bestleistungen wie etwa 2:05 Minuten über 800 Meter vorzuweisen hat.
Die meisten Leute schauen aber eben immer noch lieber Fußball als Leichtathletik im Fernsehen, was merkwürdig ist, wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Bevölkerung als private Sportaktivität das Jogging und nicht Fußballspielen nennt.

Jedenfalls war ich ganz entzückt, mit meinen größten deutschen Leichtathletikidolen, die mir aus meiner Zeit als erfolglose und talentfreie 800-Meter-Läuferin bekannt sind, nach der Präsentation des Flyknit Lunar1+ auch noch eine nette Laufrunde drehen zu dürfen – und zwar über eine von gigantischen Discokugeln und Lichtinstallationen gesäumte, neunhundert Meter lange Gummibahn. Dank schwungvoller Elektro-Beats, die den Boden zum Vibrieren bringen, und natürlich wegen des fabelhaften Strick-Laufschuhs, läuft es sich auf diesem Grund wie von allein, und wer jetzt neidisch ist und auch einmal in derartigem Ambiente sein Sportprogramm absolvieren möchte, dem sei an dieser Stelle die Teilnahme an der für jedermann zugänglichen Nike Flyknit Experience empfohlen, die morgen in der Station Berlin stattfindet. Dort lässt sich der Schuh übrigens auch anprobieren und testen. Wer nicht hingeht, hat selbst Schuld – denn der Name Flyknit ist Programm. Laufen war gestern, heute wird geflogen!