In 5 Schritten zu eitel Sonnenschein

ÜBERLEBENSTRICKS FÜR EINEN VERREGNETEN SOMMER

„Ganz schön grau hier“ titelte die Süddeutsche Zeitung am vergangenen Freitag als Anspielung darauf, das derzeit allerorts vorherrschende schlechte Wetter doch bitte nicht allzu persönlich zu nehmen. Schon sehe ich den für diesen dreisten Text verantwortlichen Redakteur breit strahlend dämliche Zeilen wie diese hier tippen: „Schlechtes Wetter macht kreativ! Unglückliche Künstler waren schon immer produktiver als dauerfrohe Strahlemänner.“ Die grauen Wolken, die dieser Tage halb Europa im Regen stehen lassen, seien hervorragend für das Erspinnen „existenzieller Gedanken“ geeignet, die man sich nicht bei Sonnenschein auf der Freibadwiese mache, steht dort weiter geschrieben, und spätestens beim letzten Satz  – „Deshalb sollten wir aufhören zu jammern und lieber die Kraft der grauen Suppe nutzen“ – möchte ich mich am liebsten in der nächsten Regentonne ertränken.

Um derartigen Schlecht-Wetter-Nebenwirkungen in sinnvoller Weise vorzubeugen, habe ich nun aber beschlossen, aus der ohnehin nicht kontrollierbaren Not eine Tugend zu machen, fortan alle Wetterberichte in Zeitung und Fernsehen zu meiden und die dadurch neu gewonnene Freizeit für erheiternderes Programm zu nutzen. Hier hätten wir also Clairette’s exklusiven Guide In 5 Schritten zu eitel Sonnenschein. Viel Vergnügen!

1.  Zuallererst entsorge man seinen rostigen Regenschirm, den man bei irgendeinem spontanen Gewitter mal bei der lokalen Drogerie erstanden hat, und kaufe sich einen ordentlichen Regenhut. Jawohl. Der mag zwar weithin als ausgestorben gelten, bietet aber lauter Vorteile. Erstens hat man beide Hände frei, zweitens wird die Frisur nicht kräuselig, drittens kann man darunter so tun, als trage man gar keinen Regen-, sondern einen Sonnenhut auf dem Kopf. Noch Fragen?

Regenhut von Fabitoria

2. Auch wenn man bei anhaltendem Sonnenentzug gelegentlich schnell dazu neigt, die warme Jahreszeit in Mitteleuropa für nun endgültig ausgestorben zu halten, ist von solch apokalyptischen Gedanken schleunigst Abstand zu nehmen. Stattdessen sollte man sich mit doppelter Akribie der Planung der Sommergarderobe widmen und die Vorteile des Onlineshoppings nutzen. Während sich draußen der vierundfünfzigste Regenschauer des Tages ergießt, fläzt man sich bequem auf dem Gartenstuhl, den man sich zum Probeliegen schon mal ins Wohnzimmer gestellt hat, und durchforstet Webboutiquen nach Badeanzügen, Seidenkleidern und Ledersandalen. Ich habe mich bereits ausgiebig beim Branchenneuzugang  Emeza umgesehen und den Warenkorb zumindest imaginär mit lauter guten Sachen gefüllt.

Rock: Jonathan Saunders. Ohrringe: Mawi. Karierte Bluse: Tibi. Kleid: No. 21. Sandalen: Ancient Greek Sandals

3. Die Bildbanderscheinung des Sommers 2013 heißt „Life’s a beach“ und verbirgt zwischen ihren Buchdeckeln glücklicherweise weitaus originellere Inhalte, als der Titel verheißt: nämlich 124 Seiten voll herrlicher Badestrandfotografien, festgehalten vom britischen Künstler Martin Parr. Die Bilder in warm gesättigten Farben zeugen von der unverblümten Authentizität eines Tags am Meer: der Betrachter genießt die Aussicht auf schrumpelige ältere Damen in blumigen Badeanzügen, krebsrot geröstete Ehepaare, die sich bei der Strandlektüre in absonderliche Positionen verrenken, oder Aquafitness-Gruppen beim Turnen vor der malerischen Kulisse der Copacabana. Nach spätestens dreimal Umblättern ist der graue Himmel vor dem Fenster garantiert vergessen. (Martin Parr: Life’s a Beach, Schirmer/Mosel)

4. Mit Musik im Ohr, die an vergangene, monatelange Hitzeperioden erinnern lässt, in denen man seinen gesamten Hausstand in den Garten verlegte, praktisch nur draußen und ausschließlich von Zitroneneis und Wassermelone lebte und sich den halben Tag mit Buch und iPod von der Sonne rösten ließ, mag die Aussicht auf den nahen Sommer vielleicht zumindest einen klein wenig realistischer erscheinen. Drei Klassiker für das 30-Grad-Feeling auf Knopfdruck: Take 5 (Kool Summer Mix) von XL, Your latest trick von den Dire Straits, Via con me von Paolo Conte.

5. Wenn ein Modemagazin zur Sommersaison eine Badeanzug-Strecke herausbringt, so sieht das eigentlich fast immer so aus: ziemlich nacktes Model suhlt sich mit feuchtem Haar und Wasserperlen auf der Haut am Privatstrand in Malibu. Meistens schafft man es nicht bis zur letzten Seite, ohne vorher einzuschlafen. Umso besser für das Achtung Magazin, das in seiner aktuellen Ausgabe ebenfalls die neuesten Bademoden der Saison vorstellt, allerdings den deutschen Wetterbedingungen entsprechend in einem Hallenschwimmbad abgelichtet – und zwar keinem geringerem als dem altehrwürdigen Stadtbad Mitte. Der klar umrissene, lichtdurchflutete 30er-Jahre-Bau schafft den perfekten Rahmen für das angenehm unprätentiöse Editorial – und lädt den Betrachter gleich dazu ein, doch auch mal wieder ein paar Bahnen in dem Schwimmbad-Klassiker zu ziehen, der zwischen Mitte Juni und September saisonal bedingt geschlossen ist. Bleibt zu hoffen, dass der Sommer bis dahin Einzug gehalten haben wird.