
Als ich zur Schule ging, trugen fast alle Mädchen dunkelblaue Daunenparka von Woolrich und Fellstiefel von Ugg Australia. In einer bedruckten Bluse oder Schuhen mit roten Schnürsenkeln galt man schon als Exot, und der Tag, an dem ich es wagte, in pinkfarbener Versace-Hose mit Palmenprint über den Pausenhof zu laufen, ist als einer der schamhaftesten Momente meiner Schullaufbahn in das Register meines Tagesbuchs eingegangen. Wie spaßig hätte meine Schulzeit, zumindest aus modischer Sicht, doch sein können, hätten alle Mädchen ausgesehen wie die Mannequins im Lookbook der neuen Winterkollektion von Tata Naka.
Dann hätten sich meine Freundinnen in der morgendlichen Frische vor dem Schulgebäude rosafarbene Tweed-Bomberjacken um die Schultern gelegt. Unter Midiröcken mit Farbblöcken in Rosé, Minzgrün und Schwarz hätten blau gefleckte Knie hervorgeschaut, und die raffiniert platzierten, transparenten Stoffeinsätze hätten die Blicke der Jungen angezogen. Auf dem Mädchenklo hätten wir den echsengrünen Lidstrich nachgezogen und den Schwung der Haartolle mit viel Haarspray gerichtet, und der bunte Kachelprint unserer Etuikleider hätte hervorragend mit den bekritzelten Mädchenklokacheln harmoniert. Budapester mit Farbblockdessin in Tannengrün, Rot und Weiß wären über die hallenden Schulflure geklappert, an wichtigen Tagen, bei mündlichen Prüfungen oder Vokabeltests, hätte ich, um seriös zu wirken, den hellblauen Blazer mit bordeauxfarbenen Blockstreifen am Ärmel gewählt, der sich auch gut zum Schiefergrün der Tafel gemacht hätte.
L., das Mädchen im Midikleid mit schwingendem Rock und Herzchendruck, hätte nach der Schule heimlich mit T. auf dem Parkplatz geknutscht, und den brennenden ersten Herzschmerz mit ihren Freundinnen an den Spindfächern lehnend in der großen Pause diskutiert, die Spindfächer natürlich mit allerlei Kritzeleien, Magazinausschnitten und den Bildern wichtiger Stars dekoriert, farblich passend zu den ochsenblutroten Ärmeln der lässig übergeworfenen Feinstrickcardigans. In all ihren banalen Nöten hätten sich die Freundinnen ewige Treue mit pastellfarbenen Halsketten aus Plastikperlen geschworen, bis alle Ketten reißen und so weiter, und beim Abschlussball hätten sie in schulterfreien Kleidern aus Seide, mit neonfarbenem Herzblattprint und bonbonrosa Schleifen zu den Bee Gees getanzt und es hätte hellblaue Luftballons geregnet und sie hätten sich beim Abistreich mit Filzstiften auf den Wänden der Pausenhalle verewigt und davor ein Abschiedsfoto gemacht, die Mädchen in orangefarbenen Lederhosen mit ausgestanzten Herzen und knallbunten 80er-Bomberjacken vom Flohmarkt.
Als ob.
Mit ihrer neuen Kollektion erzählen die Zwillingsdesignerinnen des Labels Tata Naka ein höchst stilvolles High-School-Märchen, dass wir so vielleicht aus amerikanischen Teenager-Filmen, jedoch keinesfalls aus persönlichen Erinnerungen kennen. Die herrlich geschnittenen und fantasievoll bedruckten Kleider sind angelehnt an Schuluniformen und Cheerleader-Röckchen, Baseball-Jacken und Poesiealbum-Bilder – doch die Rekombination all dieser Elemente ergibt eine Mode, die viel zu originell und verspielt ist, als dass sich irgendein Teenager auch nur in ihre Nähe wagen würde.
Deshalb kann man die Winterkollektion von Tata Naka in ihrem Anklang an das Schulwesen im Grunde überhaupt gar nicht ernst nehmen – sondern darf darin viel mehr eine fabelhafte Wiedergutmachung für all die modischen Freiheitseinschränkungen, verhängt durch die skrupellos konventionelle Gesellschaftsinstitution Schule, sehen, denen wir als Teenager dort ständig ausgesetzt waren. Denn ist die Mode nicht immer auch ein Werkzeug der Illusion und Vorstellungskraft? Nachdem Tata Naka für die gerade ausklingende Sommersaison mit ihrer prachtvollen Sixties-Kollektion, so mondän und frisch wie gerade einem Slim-Aarons-Bildband entstiegen, Urlaub zum Anziehen präsentierten, imaginieren wir nun zum Herbst 2013 also ganz einfach die modische High School mit Herzchendruck. Herrlich.










