Über den Film „Der Teufel trägt Prada“ habe ich schon mit Freunden diskutiert, die in Bochum Maschinenbau oder in Iserlohn Sozialökonomie studieren. Ein Kamerad aus Schulzeiten, der seine Freitagabende für gewöhnlich mit „Stirb langsam – ein guter Tag zum Sterben“ oder „Killer Joe“ verbringt, befand den Streifen für durchaus sehenswert, und mein Vater, der weder Designer noch VOGUE-Redakteur ist, könnte 90 Prozent der Dialoge des Films im Schlaf aufsagen.
Was das im Klartext bedeutet: das Genre des Modefilms, und zwar sowohl als Spiel-, als auch als Kampagnenfilm, verbindet die Modewelt mit dem Rest des Universums. Bei einer guten Produktion, die sich im Grunde ja tatsächlich nur um High Heels und Handtaschen dreht, mag selbst der größte Stil-Muffel nicht wegschauen – weil Kleidung hier im Entertainmentformat auftritt, und zudem Menschen, die sich in herrlichen Outfits bewegen und dabei auch noch eine Geschichte erzählen, mehr als reine Oberfläche demonstrieren. Modefilme können ungemein lustig, surreal oder gar gruselig sein (wie wir hier gelernt haben) – was man von stinknormalen Werbeplakaten oder Editorials allerdings nicht unbedingt behaupten kann. Jedenfalls sollte man den Unterhaltungswert eines herrlich inszenierten Prada–Videos ebenso wenig unterschätzen wie Meryl Streep’s virtuoses Spiel als bissige Tyrannin der Modewelt.
Um also auch in dieser Saison keinesfalls die besten Streifen der Modefirmen zu verpassen, machen wir es uns nun mit Popcorn und High Heels auf der Couch bequem und zappen quer durch das bunte Programm von 3.1. Phillip Lim über Miu Miu bis Lanvin. Die Vielfalt an unterschiedlichsten Sujets und Drehorten ist wie immer atemberaubend: von fliegenden Motorrädern über verschwitzte Film-Noir-Szenerien bis zum charmanten Ostküsten-College ist tatsächlich für jeden Geschmack etwas dabei. Clairette wünscht gute Unterhaltung!
1. „Sonomama“ heißt der Modefilm aus dem Hause 3.1. Phillip Lim, in dem wir heute von japanischen Motorradbräuten lernen, wie man die schärfste Trend-Erscheinung des kommenden Winters, namentlich lederne Overknee-Gamaschen, tatsächlich auf der Straße ausführt. Ironischerweise kommt der Begriff „Sonomama“ aus dem Vokabular des Kampfsports und bedeutet „Nicht Bewegen“. Davon kann in Phillip Lims Kampagnenvideo keine Rede sein: als Motorradbraut mit Overknee-Gamaschen hat man in Tokio schließlich von früh bis spät immer irgendwas zu tun. Unbedingt zum Outfit kombinieren: einen heißen Motorradfahrer mit sauber gegelter Haartolle, beides ist neuerdings wieder schwer en vogue.
2. Nachdem Chloé
Hilfiger dem glamourösen Ostküsten-Clan in früheren Episoden schon bei der hauseigenen Weihnachtsparty ordentlich einheizte, auf der Familienyacht am Steuer stand oder mit ersten Fahrversuchen die perfekt gestylte Picknicktafel ruinierte, ist der kleine Spatz nun erwachsen geworden und darf endlich aufs College gehen. Mit im Gepäck die klassischen College-Basics: „Homecoming for Dummies“, ein
single service cocktail shaker und 37 scharfgespitzte Bleistifte. Und natürlich Chloés Markenzeichen, die dramatische Oversize-Sonnenbrille.
3. Schon mal in
Louis-Vuitton-High-Heels Stepptanz betrieben? Das neueste Video des Luxushauses „Up High on Heels“ zeigt, wie es geht – und ist dabei ein guter Beweis dafür, dass die formschönen Stilettos mit rotem Kroko-Absatz, die meterhohen Plateau-Sandaletten mit Seidenquasten oder die roten Pumps mit flauschigem Pompom durchaus nicht bloß zum Herumstehen entworfen wurden. Was wir außerdem lernen: High Heels passen viel besser zu strammen Tanzbeinen als zu streichholzdünnen Model-Stelzen. Ab aufs Parkett!
4. Lauter Supermodels, die sich das rustikale Erlebnis einer Fährenfahrt mit gemusterten Halstüchern, gelb-gepunkteten Cashmere-Mänteln, schulterfreien Midi-Roben und psychedelischen Tanz-Moves versüßen – mit seinem neuen Kampagnenfilm hat das Modehaus Miu Miu wie immer alles richtig gemacht. Jedenfalls möchte ich jetzt auf der Stelle mit Lindsey Wixon Boot fahren und dazu ein Paar Gummisohlen-High-Heels und einen rosa-gestreiften Foulard tragen.
5. Schon viel zu häufig bin ich dummes Modehuhn auf dieser Seite über die
Chanel-Kollektionen der letzten Saisons hergezogen, habe Karl Lagerfeld einen Konditor
überzuckerter Tortenkleider und verrüschter Seidenbaisers geschimpft. Aber was weiß ich schon, die ich niemals auch nur in die Nähe einer Chanel-Robe gekommen bin? Das Making-Of-Video zur brandneuen Haute-Couture-Kollektion ist zwar kein Kampagnenfilm, mit seinem Fokus auf die unschätzbare Detailperfektion und Fingerspitzenarbeit, die in diesen textilen Kunstwerken steckt, im Grunde aber der eigentliche Inbegriff des Modestreifens. Ab heute werde ich über Chanel schweigen, respektvoll und demütig. Amen.
6. Lanvin-Filme sind häufig schwer anspruchsvoll, bei Betrachtung Alber Elbaz‘ kryptischer Inszenierungen fühlt man sich dann immer schnell wie im Remake von „Faust“ oder „The International“. In dieser Saison dürfen wir der schlauen Edie Campbell lauschen, die mit lauter Facetten ihres Selbst über Definition und Kontroversität von Begriffen wie Love und Cool debattiert. Ganz nebenbei lauten so übrigens auch die Schriftzüge Lanvin’s fabelhafter neuer Halscolliers, und vielleicht reicht es, wenn man sich beim Anschauen des Kampagnenfilms einfach auf diese und andere Augenweiden der aktuellen Winterkollektion konzentriert, spätestens dann, wenn es einem bei druckreifen Zitaten wie „The worst kind of love is misdirected love“ irgendwie doch zu intellektuell wird.
7. Ab heute können alle Frauen, die mit einem mies gekleideten Freund oder Ehemann gestraft sind, ihre besseren Hälften zur visuellen Dauerbeschallung mit dem sehr gelungenen
Soulland-Streifen zwingen, in dem hübsche Jungs vor waldiger Kulisse in glänzenden grünen Regenparkas, gestreiften Bermudas, grafisch bedruckten Sweatern und kamelfarbenen Camouflage-Mänteln auflaufen. Auch den Soundtrack von Nicolas Malinosky kann Mann sich durchaus mal antun, was zum positiven Effekt der Dauerbeschallung beitragen dürfte. Ein absolut sehenswertes Stück – natürlich auch für Männer mit bereits ausgereiftem Modegeschmack.
8. Wo der Name
Prada fällt, treten verlässlich Frauen auf, die immer irgendwas Wichtiges zu sagen oder zu tun haben. Im teuflischen Spielfilm mit Meryl Streep sind es die kriegerische Chefredakteurin und ihr Gefolge, die im Prada-Outfit ihr Revier markieren, in den Kampagnenvideos des Luxushauses die stets schauspielerisch begabten Models, die im
Plissee-Rock das Auto tanken oder als knallharte Filmregisseurinnen Casting-Bewerberinnen auf Herz und Nieren prüfen – so jedenfalls im aktuellen Video. Die Stimmung ist gespannt, das Licht kalt und düster, die Mähnen der Damen nass geschwitzt, die Träger der scharf geschnittenen Kleider herab gerutscht. Freya Beha Erichsen hängt faul im Sessel und bedient den Diaprojektor, Nadja Bender konkurriert mit Fei Fei Sun, Caroline de Maigret fährt Fahrstuhl. Fabelhaft!
9. Wenn High Heels sprechen lernen, bedruckte Loafer Dubstep tanzen und Pumps-Absätze wie Satzzeichen aussehen, dann sind wir ohne Zweifel im kunterbunten Universum des Pariser Labels
Roger Vivier gelandet. Ähnlich wie bei Louis Vuitton befinden sich auch hier die gezeigten Schuhmodelle in ständiger Aktionsbereitschaft, offenbar scheinen sich die Schuhdesigner allesamt nach Kräften gegen das Vorurteil wehren zu wollen, ihre Entwürfe seien nicht für die Aktivitäten des Alltags geeignet. Mit Roger Vivier, das wissen wir jetzt, ist man allerdings von morgens bis abends, ob auf dem Eiffelturm oder den Champs-Élysées, mit Champagner oder ohne, immer gut beraten.
10. So theatralisch schön wie eine italienische Oper in mehreren Akten ist nur die Fabrikation des berühmten Paloma-High-Heels von Charlotte Olympia, die Tabitha Denholm für das britische Luxusschuhlabel dokumentiert hat. Untermalt von den herrlichen Läufen einer dramatischen Sopran-Arie wird der Betrachter Zeuge der Geburt eines der klatschmohnroten Klassiker. Welch ein herrliches Schauspiel!