Birkenstock vs. Badelatschen

Vielleicht war es ein Moment der Schwäche. Vielleicht heimliche Neugier, oder auch einfach, weil ich keine Lust hatte, meine eigenen Schuhe suchen zu gehen, pure Faulheit. Fest steht: der Moment, in dem meine Füße zum ersten Mal die Marke Birkenstock berührten, war keine Konsequenz einer lange gehegten Leidenschaft. Mein Hund war weggelaufen, ich musste hinterher und schlüpfte in das erste Paar Schuhe, das sich mir in den Weg stellte. Dass es auch ausgerechnet jene weißgelackten Sandalen meiner Mutter sein mussten, sie ihrerseits Birkenstock-Fan der ersten Stunde – reiner Zufall.

Auf dem Rückweg, mit dem angeleinten Haustier im Schlepptau, fiel mein Blick vertikal hinab auf meine Füße: da watschelten sie, das Geräusch der Gummi-Sohlen ein schmatzendes Klappern, meine schmalen Fersen und langen Zehen umzäunt von schlammbraunem Birko-Flor, platt im hügeligen Fußbett ruhend wie zwei tote Fische im Watt. Das schimmernde Weiß der Lacklederriemen schien zu solch plumper Behäbigkeit, elegant wie eine slowakische Holzhütte, in meinen Augen gar nicht passend. Ich behielt die Schuhe trotzdem an, auch längst nachdem der Hund wieder im Körbchen lag. Dass Birkenstocks saubequem sind, will ja keiner leugnen. Und um ganz ehrlich zu sein: natürlich ist der weitreichende Hype um diesen urdeutschen Funktionsschuh auch an mir nicht spurlos vorbeigegangen. Auf der Kopenhagen Fashion Week ertappte ich mich gar bei der Bewunderung einer schönen schlanken Dänin im schwarzen Spaghettikleid und mit wüstenbraunem „Gizeh“-Modell an den Füßen.

Aber trotzdem: seit jeher verbinde ich mit dem Begriff Birkenstock ein Bekleidungsszenario von besonders ausgeprägter Hässlichkeit. Daran wird auch die Sommersaison 2013, in der die Gymnastik-Sandale zum Accessoire der Stunde avancierte, niemals etwas ändern. Ganz im Gegenteil: was mir gerade nicht gefällt an diesem Schuh, ist die künstliche Verkleidung, in der er seit Neuestem durch die Fußgängerzonen spaziert. Gelackt, in rosa, mit Nieten, superduperstylischem Zehensteg und schimmerndem Metallic-Effekt, bei Céline sogar mit Nerzbesatz. Bisher waren Birkenstocks die uncoolen Spaßbremsen unter den Schuhen, sehr gesund, sehr flach, sehr mauerblumig. Jetzt wollen sie plötzlich in der modischen Oberliga spielen und zu Minirock oder Lederhose richtig fesch rüberkommen. Hässliche Schuhe als stylisches Must-Have: im Grunde ist das in unserer heutzutage so offenherzigen Modewelt ja keine Neuigkeit mehr. Und auch ich begeistere mich für gerne für zweifelhafte Optiken, wie schon dieser Text über den scheußlichen Stoffhut bewies. Aber im Unterschied zum Stoffhut steht die neue Birkenstock-Generation eben nicht zu ihrer Hässlichkeit, die im einstigen Original, so wie Kindergärtnerinnen und Greenpeace-Muttis ihn gerne trugen, eine humorvolle und authentische Ästhetik des Uncoolen zu verbreiten wusste.

Glücklicherweise bekommen Birkenstocks brandaktuellen Meldungen zufolge nun aber Konkurrenz von einem anderen deutschen Kult-Schuh, der gar nicht daran denkt, an seinem Schwarzes-Entlein-Image irgendwas zu ändern: Die Adilette ist zurück, jene flachgebaute Badelatsche mit blau-weiß-gestreiftem Überbau und diesem gewissen dumpf quietschenden Schnalzen, das ertönt, sobald man darin einen Fuß vor den anderen setzt. Sie ist sich treugeblieben, die Adilette, hässlich und unsexy wie eh und je, und diese Authentizität, eine Reminiszenz an Bademeister im Freibad, Putzhilfen im Bürohaus und Lebenskünstler vorm Penny-Markt, ist doch schließlich mehr Gold wert als jeder noch so stylisch gelackte Zehensteg. Wenn schon hässlich, dann doch bitte richtig.

„Gizeh“-Sandale von Birkenstock, Badelatschen von Adidas. Lederkleid von H&M, Trenchcoat von Burberry’s, Shirt Vintage.