„Unser Liftgirl nimmt sie dann im Foyer in Empfang“, allein solch ein Hinweis auf einer Einladungskarte sticht an einem Mittwochabend alle anderen Events in der Hauptstadt aus. Selbst wenn der Papst zu Besuch käme – eine Aufzugfahrt mit einem waschechten Liftgirl werde ich mir wohl kaum entgehen lassen. Omega, das Schweizer Traditionshaus für feine Uhrwerke, hat zum Cocktail in die PanAm Lounge geladen, präsentiert werden hochkarätige Originale aus der Vintage-Kollektion. Da passt das elegante 60ies-Flair der Räumlichkeiten, in denen früher Piloten und Stewardessen der amerikanischen Fluglinie untergebracht wurden, natürlich hervorragend – auch wenn es sich im 8. Stock eines unscheinbaren Bürogebäudes in der Budapester Straße versteckt, dessen Eingang man erstmal finden muss. Dafür strahlt das Liftgirl im himmelblauen Flugbegleiterinnen-Outfit besonders hübsch. „Bitte in der achten Etage aussteigen, rechts den Gang hinunter, Zimmernummer 8J.“
Ob das eine Falle ist? Der mit dunkelbraunem Teppich ausgelegte Flur sieht irgendwie zwielichtig aus. Als ich bei der Nummer 8J klopfe, komme ich mir vor wie ein bestelltes Freudenmädchen – bis eine weitere Dame in Himmelblau die Tür aufreißt und mich mit einem freudigen „Champagner?“ begrüßt. Spätestens jetzt steht fest: heute wird’s originell.
In der PanAm-Lounge wird man permanent von ambivalenten Gefühlen beschlichen: einerseits wirkt die 60ies-Szenerie, vom Plattenspieler über die hölzerne Bauhaus-Ausstattung über die Mondfotografien bis zum Zebra-Wandteppich im Schlafzimmer, fast museal inszeniert. Andererseits möchte man unterm Schein der Kristalllampen und mit diesem fantastischen Balkon-Blick über Berlin auf der Stelle einziehen und zum Soundtrack von Henri Mancini eine Cocktail-Party à la Holly Golightly veranstalten. Wo bleibt die eigentlich? Es wäre kaum verwunderlich, wenn sie gleich in asymmetrischer Givenchy-Robe um die Ecke gerauscht käme, um am Buffet ein Häppchen Lachsterrine zu naschen, eine Zigarette zu rauchen und mit dem Piloten hinter der Bar zu flirten. Kurzum: eine bessere Location für eine Zeitreise im wahrsten Sinne des Wortes hätten sich die Schweizer Omega-Vertreter wahrhaftig nicht aussuchen können.
Ich sag‘ es gleich: ich bin keine Uhrenträgerin. Jedenfalls habe ich noch nie ein schönes Modell besessen, das es verdient hätte, jeden Tag getragen zu werden. Früher mal, als ich noch zur Schule ging und nicht alle zwei Minuten auf ein Handy guckte, verließ ich das Haus nie ohne Armbanduhr, ich hätte mich sonst wohl nackt gefühlt. Heute bin ich ständig zu spät, und das trotz Digitalanzeige auf dem Smartphone. Eine Uhr wäre wirklich mal was! Vor allem, wenn sie so goldig aussähe wie eines der Modelle aus der Vintage-Kollektion, die mitsamt skurrilem Museumskurator exklusiv aus dem schweizerischen Biel nach Berlin eingeflogen wurden. >>

Weil ich de facto keine Uhrenträgerin bin, habe ich mich entsprechend auch nie vorher besonders für diese Branche interessiert – ein sträfliches Vergehen, wie mir an diesem Abend bewusst wird. Umso faszinierter lerne ich jetzt ein Produkt der Luxusindustrie kennen, das wohl als eines von wenigen seinen mitunter utopischen Preis tatsächlich wert ist (Einstiegspreise liegen bei rund 3000 €, utopisch wird es bei 200.000€). Denn was ist schon ein Prada-Kleid gegen eine tickende kleine Welt für sich, die von Hand aus hunderten winziger Einzelteile in einer kleinen Schweizer Manufaktur zusammen geschraubt wird? Was ist ein Stück vergänglicher Luxusmode gegen solch ein Zauberstück, das in seiner technischen Vollkommenheit nie unmodisch werden kann? Im Zuge dieser Erkenntnis ergibt dann auch der Name des Unternehmens einen Sinn: Omega lautet schließlich der letzte Buchstabe im griechischen Alphabet. Danach kommt nichts. Könnte sich ein Luxusprodukt eleganter in den Zauber der Exklusivität hüllen?