Eine alte Küchenweisheit besagt, dass man einen guten Koch daran erkennt, wie souverän er die einfachsten Gerichte beherrscht. Beim Kleidernähen ist es genauso. Ich habe immer gedacht, eigentlich ganz gut schneidern zu können, bis ich mich an das gepunktete Halstuch heranwagte, inspiriert von Miu Miu’s Winterkollektion 2014. Dort erlebte der Foulard nämlich sein wohlverdientes Comeback. Im putzigen Pfadfinderknoten um den Hals geschnürt, paßt das Tüchlein zu tief dekolletierten Midikleidern, sportlichen Reißverschlüssen und geringelten Strumpfhosen ganz hervorragend. Man sieht in diesem Aufzug aus wie eine 50er-Jahre-Hausfrau auf Walfang: sexy und geschäftig zugleich. Damit ist der gepunktete Foulard ein heißer Kandidat für Clairette’s Schneiderwerkstatt. Und so kompliziert dürfte das Nähen eines schlichten Vierecks ja nicht sein. Wir haben schließlich schon Größeres gemeistert, zuletzt sogar einen gefiederten Bleistiftrock!
Nun ja: Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Seit diesem DIY-Projekt weiß ich, wie schwierig es tatsächlich ist, einen glatten, sauberen Saum zu steppen. Für das gepunktete Halstuch benötigt man ein quadratisches 60cm-mal-60cm-Stück glänzender Satinseide. Nach dem Zuschneiden geht es ans Bügelbrett, hier klappt man den Stoff an allen vier Seiten einen Zentimeter breit zweifach nach links, so daß die fransigen Kanten im Saum verdeckt liegen. Einmal ordentlich drüber bügeln, dann steckt man die Säume mit Nadeln fest und setzt sich an die Nähmaschine. Und hier ist es jetzt Vorsicht geboten, zumindest für so ungeduldige Leute wie mich: ich war bei diesem Schritt mit der Bastelarbeit im Geiste nämlich quasi schon längst fertig und habe deshalb ganz heiter und unkonzentriert drauflosgesäumt, mit dem Ergebnis ziemlich schiefer Nahtlinien, häßlicher Stoffraffungen und Kräuselungen. Bei feiner Seide muss man nämlich die entsprechend feine Nadel verwenden, aber ich habe in allem Übermut über dieses ach-so-simple Nähprojekt die dicke Baumwollnadel in der Maschine stecken gelassen, was dem noblen Seidenmaterial aber gar nicht gefallen hat. Es war wie früher beim Tennisspielen: wenn man den vermeintlich schwachen Gegner beim ersten Aufschlag im Kopf schon längst besiegt hatte, ging man am Ende selbst als Verlierer vom Platz. Ein klassischer Fall von Selbstüberschätzung.
Was wir schon vorher wussten: Schneidern besteht zu 50 Prozent aus Auftrennen. Weil ich mir lieber ein anständiges Halstuch als einen zerschlissenen Lappen um den Hals knote und noch dazu den Anblick solch schauderlich vergewaltigter Pünktchenseide nicht ertragen kann, habe ich also nach kurzem Wutschnauben über die eigene fatale Torheit alle Säume aufgetrennt, nochmal frisch gebügelt und anschließend gaaaanz langsam und mit besonderer Sorgfalt neu gesteppt. Das Ergebnis sehen wir in der Bildergalerie. Stellenweise muten die Nahtlinien zwar immer noch ein wenig beschwipst an, aber das läßt sich bei dieser Kreation ja glücklicherweise gut verstecken, beziehungsweise wegknoten.