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Bild: @stilinberlin |
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Lala Berlin |
Mit Hien Le wird die Modewoche nun schon zum dritten Mal eröffnet, und ebenso traditionell wirken auch die Entwürfe des Designers. In der Winterkollektion 2014 bleibt er seiner reduzierten Handschrift treu und zeigt feminine und zugleich strenge Looks, inspiriert von moderner Architektur. Für Ahs und Ohs sorgt das dunkelblau-grün-karierte Ensemble aus Wolljacke und -hose. Weißes Mohair ist mit schwarzen Sprenkeln bedruckt, wie Asche auf Schnee schaut das aus. Die dunkelroten Bermuda-Hosen sind zeitgemäß trendy, und der abschließende Look, ein raffiniert gefalteter Midirock mit passendem Volumenoberteil aus hautrosafarbenem Lederimitat ein moderner Klassiker. Eine Mode, die man in Zeiten eines fast schon absurden Überangebots trotzdem unbedingt besitzen will, hat Hien Le allerdings nicht zu bieten – irgendwie fehlt da der Kick des Neuen, Unerwarteten.
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Hien Le |
Für mehr Spannung sorgt dagegen die erstmals aus St. Petersburg angereiste Designerin Alina Akhmadullina: mit folkloristisch bedruckten Roben, Mänteln mit farblich kontrastierendem Innenfutter, Tweed über Spitze, schillernden Grünnuancen und einem Wollblazer mit raffiniert subtilem Pelzeinsatz lehrt uns die Russin, wie gut sich moderne Finesse mit einer wohldosierten Prise Exzentrik würzen lässt, ohne dass Frau gleich verkleidet aussieht. Die Farbkombinationen sind ungewohnt, die Prints exotisch und elegant, der Materialmix gewitzt. Natürlich kann man Minimalismus nicht mit Folklore vergleichen, die Frage ist bloß, welches von beidem früher langweilig wird.
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Alina Akhmadullina |
Das Designerduo Perret Schaad zählt wiederum zu den alten Hasen der Berliner Modewoche. Während beim Einlass der Gäste ins heillos überfüllte David-Chipperfield-Haus in der Joachimstraße geradezu Chaos ausbricht, muten die Kreationen hier wie gewohnt sachlich an: zu sehen gibt es seitlich geschlitzte schwarze Midiroben, taillenhoch geschnittene Palazzohosen in Tintenblau und Orange, Kleider mit asymmetrisch drapiertem Ausschnitt und einen leuchtend beerenfarbenen Seidenoverall mit wehenden Fledermausärmeln. Auch für Farben haben die Damen Perret und Schaad ein Händchen, gekonnt kombiniert werden Aubergine, Ochsenblutrot und Royalblau, und himbeerrote Samt-Booties zu schwarzen Hosen mit perlbesticktem Saum. Hübsch anzusehen ist diese Kollektion ganz bestimmt. Aber auch hier bleibt der Besucher etwas ratlos zurück: wie lange wollen Perret Schaad noch ihrem mittlerweile doch etwas angestaubten Purismus huldigen?
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Perret Schaad |
Bei Vladimir Karaleev hat sich in der Front Row das komplette VOGUE-Team versammelt, man darf also auf Großes hoffen. Die ersten Looks sorgen allerdings für kurze Verwirrung: sind wir aus Versehen in der falschen Show gelandet? In der vom letzten Winter? Die elfenbeinfarbenen Leinenhosen, drapierten Westen, Mäntel mit offenen Säumen und abgesetzten Ärmeln in Waffeloptik kommen einem doch allzu bekannt vor. Auch die Karaleev-blauen Draperie-Kleider mit losem Stoffwurf und schlauer Schichtung dürfen natürlich nicht fehlen. Spannender wird es bei den Herren, sehr überzeugend ist zum Beispiel das taubengraue Oberteil mit integriertem, raffiniert um den Hals geschlungenen Schal. Der vorsichtige Vergleich mit London’s Darling J.W.Anderson passt hier vielleicht ebenso wie bei den finalen Looks der Damen, zum Beispiel dem schwarzen Ensemble aus gefälteltem Trägertop und Anzughose.
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Vladimir Karaleev |
Was bei Karaleev’s Kollektion allerdings für einen interessanten Bruch gesorgt hätte, sind flache Schuhe. Komischerweise sieht man die in dieser so sportlichen Stadt auf den Laufstegen ziemlich selten, bevorzugt werden hier meist Billig-Stilettos von Zara. Natürlich haben nicht alle Designer so viel Glück wie die Achtland-Herren, die in der letzten Saison mit Christian Louboutin kooperieren durften und dieses Mal von Unützer gesponsert werden. Schwarze Herrenschuhe haben sie mit Farbklecksen in Rosa, Grün, Dunkelrot und Weiß bemalt, und allein in dieser eigensinnigen Handwerkskunst erkennt man die Leidenschaft, mit der bei Achtland gearbeitet wird. Die Kollektion wirke fast gewollt anders als die der Sommersaison, schreibt Alfons Kaiser in der FAZ, aber warum muss man es gleich gewollt nennen, wenn endlich auch mal ein Berliner Label den Sprung nach vorn wagt?
Achtland sind in dieser Saison noch mutiger geworden. Mit viel Feingefühl brechen sie die feminine Leichtigkeit eines aufspringenden Midirocks mit dem knabenhaftem Charme jener beklecksten Schuhe, schichten hauchfeine, ungesäumte Lagen von Chiffon übereinander, schlitzen Midikleider mit asymmetrisch drapierten, farblich abgesetzten Schulterpartien, bestickten elfenbeinfarbene Seide mit abstrakten Blumenskizzen, kombinieren dazu Gürtel und Haarschmuck mit schillernden Swarovski-Steinen. Ein Highlight sind Kleid, Weste und Rock aus schwerem Leder mit Patchworkblüten in Ochsenblutrot, Jade und Altrosa – das darf man wohl Kunstfertigkeit und Innovation auf genialem Niveau nennen. Mit dieser sowohl malerischen als auch abstrakten Kollektion könnten sich Oliver Lühr und Thomas Bentz ebenso gut in London oder Paris sehen lassen. Und zwar deshalb, weil sie eben mehr als bloß hübsch und tragbar ist.
Indes müssen viele andere Berliner Designer, von denen bestimmt einige sehr wohl Talent besitzen, aufpassen, dass sie und ihre Kleider mangels Abwechslung und Fortschritt nicht irgendwann einrosten. Schließlich ist es der Wandel, der die Mode heute immer noch begehrenswert macht, nicht die Wiederholung. In diesem Sinne: „Werdet wild und tut was Schönes!“
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Achtland |