Maxi Mini Midi

ÜBER DEN SIEGESZUG DER GOLDENEN MITTE

Um 1960 herum erfand Mary Quant, britische Designerin und Mode-Ikone, den Minirock. Hintergedanke dieses Einfalls war natürlich, wie so einiges in den 60er Jahren, die Emanzipation der Frau. Lange genug hatte die sich in bodenlangen Röcken durch Haus und Hof gequält, ordentlich und gesittet sollte man schließlich aussehen – mit dem Ergebnis, dass 20-Jährige und Großmütter nahezu identisch gekleidet herumliefen. Der Minirock war dagegen die logische und modische Konsequenz, eine verführerische Rebellion gegen die steife Erwachsenenmode. Um die 1970er Jahre reichten viele Modelle kaum noch über die Pobacken. In diesem Aufzug durfte sich frau also endlich munter und lustig wie ein läufiges junges Fohlen fühlen.

Aber es musste ja so kommen: irgendwann hatten die Frauen die Nase voll vom emanzipierten Minirock, und da bekamen sie das bodenlange Kleid zurück. Das hieß jetzt bloß anders als zu Biedermeier-Zeiten, nämlich Maxi-Skirt oder Hippie-Dress. 2011 entwarf Raf Simons für Jil Sander eine Sommerkollektion mit lauter knöchellangen Röcken in Bonbonfarben – da konnte man vom Glück reden, dass es die Gosse nicht mehr gab wie noch vor zweihundert Jahren, als die Frauen in Holzpantoletten durch zentimetertiefen Schlamm waten mussten und dabei regelmäßig ihre Maxi-Skirts ruinierten.

Ein paar Sommer lang liefen fast alle meine Freundinnen und ich in solchen bodenlangen Kleidern herum. Fahrradfahren war darin zwar schwierig, einen Freund zu finden auch, aber immerhin, in diesem Aufzug konnte man sich noch emanzipierter fühlen als die Minirock-Mädels in den 70er Jahren, die sahen nämlich oftmals einfach nur nach Boxenludern aus, und diese Berufsgruppe ist ja nun nicht gerade für besonders feministische Ansichten bekannt.

Aber wie es die Mode so will, musste auch die Maxi-Robe wieder abtreten, und an ihre Stelle tritt in dieser Saison nun das Midi-Kleid. Es gibt gute Gründe, zu hoffen, dass sich dieses Modell länger als Mini und Maxi zusammen halten wird. Das Midi-Kleid trägt seinen Namen nicht umsonst, es verkörpert nämlich die goldene Mitte zwischen den Rocklängen. Weil es weder zu viel noch zu wenig verhüllt, sieht man darin elegant, charmant, lässig und subtil betörend zugleich aus – schließlich wusste ja schon Coco Chanel, dass in Maßen verdeckte Haut mehr Fantasie entfacht als entblößte.

Entsprechend habe auch ich mir bereits eine umfangreiche Sammlung an Roben mit Überknielänge zugelegt, die vor allem einen entscheidenden Vorteil haben: was der Rock verbirgt, kann an anderer Stelle offenbart werden. Midi-Kleider sind alles andere als großmütterlich, denn sie sehen vor allem toll aus mit und zu schrillen Schuhen, tiefen Rückenausschnitten, Spaghetti-Trägern, Beinschlitzen, Lederjacken…

Das Midi-Kleid bleibt auf dem Vormarsch. Maxi Mini Midi.

Alle Bilder: © Sandra Semburg
 Rosa Kleid: selbstgenäht (Anleitung folgt!). Ledermantel: Avelon. Schuhe: Fratelli Rossetti. Hellblaues Kleid: Topshop Unique.