Kleine Studie zur Culotte

DAS IST FRANZÖSISCH UND HEIßT ZUM BEISPIEL UNTERHOSE

Eine meiner Lieblingsvokabeln aus dem Französischen ist das Wort culotte, wahrscheinlich ist es auch eine der ersten, die ich je gelernt habe. Als ich klein war, fuhren wir in den Ferien oft mit dem Auto nach Frankreich und hörten dabei französische Chansons. So hält man Kinder bei Laune und vermittelt gleichzeitig ganz spielerisch Fremdsprachenkenntnisse. Eines dieser Lieder, Insider werden es kennen, erzählt von den Unterhosen des Königs Dagobert: Le bon roi Dagobert a mis sa culotte à l’envers heißt es da, das Staatsoberhaupt hatte wohl eine Links-Rechts-Schwäche und trug seinen Schlüpfer verkehrt herum.

Oder war es seine Kniebundhose? Das französische Wörterbuch gibt an dieser Stelle verwirrende Auskunft: als culotte werden sowohl Petit Bateaus baumwollene Höschen als als auch die beim männlichen Bildungsbürgertum des 18. Jahrhunderts beliebten 3/4-Beinkleider bezeichnet, Vorläufer der Cargohose, die heutzutage ihr Unwesen in der Männermode treibt.

Komisch, dass die Franzosen Unterhose und Oberbekleidung in einen Topf werfen. Das ist ungefähr so, als benutze man für Gurke und Tomate dasselbe Wort, zum Beispiel Gurke, und jedes Mal, wenn man im Restaurant einen Tomatensalat bestellen wollte, müsste man sagen, ich hätte gerne einen Gurkensalat, aber bitte den aus roten Gurken, Sie wissen schon.

Vielleicht steckt hinter dem Teekesselchen culotte aber auch einfach die nicht immer klischeehafte französische Hochnäsigkeit: zumindest die Pariserinnen laufen nämlich gar nicht gern in weiten 3/4-Hosen herum. Lieber greifen sie zur schwarzen Skinny-Jeans. Für diese Erkenntnis muss man sich nur einmal in geblümten culottes ins Marais stellen, gleich fühlt man sich geradezu umzingelt von hageren Französinnen mit schwarz bestrumpften Stelzenbeinen, bei deren Anblick man gleich beschließen will, nie wieder auch nur in die Nähe eines Croissants zu kommen. These: Weil die Pariserinnen weite 3/4-Hosen unästhetisch finden, haben sie ihr denselben Namen wie ihren Baumwollschlüpfern verliehen. Außerdem ist die culotte, also die Kniebundhose, ein Relikt des französischen Rokoko, als Adel und Klerus darin herumliefen und sich ihre Gegner, die Kleinbürger und Arbeiter, entsprechend den regierungskritischen Namen Sansculotten gaben, zu Deutsch Die-Ohne-Kniebundhosen. Bis heute sind die Franzosen ein aufmüpfiges Volk, kein Wunder also, dass sie weiterhin nicht viel von royalen Hosenmodellen halten.

In Deutschland aber ist die culotte beliebt, auch das erstaunt wenig, die Deutschen sind ja auch fasziniert von der schön praktischen Cargohose. Hier trage ich ein Modell des Würzburger Labels Odeeh. Zugegeben, das Blumenmuster mag noch verdächtig nach Unterhose aussehen. Ansonsten muss ich mich aber stolz rühmen, hier definitiv einen der wichtigsten Trends der Sommersaison 2014 vorzuführen. Fast überall gibt es nämlich neuerdings luftige 3/4-Beinkleider zu sehen, bei Alexander Wang, Emporio Armani, Hermès, Helmut Lang, Jil Sander, Mulberry und Roksanda Ilincic. Das wichtigste Argument für diese Hose: sie ist saugemütlich. Und man kann dazu tagsüber hohe Schuhe tragen, ohne albern auszusehen. Und sogar ein zweites Croissant essen. Merkt bestimmt keiner.

Alle Bilder: Sandra Semburg. Top und Culotte: Odeeh. Blazer: Weekday
Schal: Acne. Sandaletten: & Other Stories