Wie viel Kunst steckt im Modefilm?

INTELLEKTUELLES FAULENZEN MIT DEN BESTEN MODEFILMEN DER SAISON


Die schönste Zeit des Jahres hat begonnen: ich darf endlich wieder Hausarbeiten schreiben! ENDLICH!

Ich weiß gar nicht, wieso ich jammere, schließlich habe ich mir die Universität freiwillig als Arbeitgeber ausgesucht. Das ganze Jahr über gehe ich ja auch gerne hin, nur wenn ich zuhause sitzen und Forschung betreiben soll, wird es schwierig. Dort lauert ja so viel Ablenkung! Seit dem letzten Sommer bin ich, es macht mich selbst traurig, nicht disziplinierter geworden. Bereits damals klagte ich ja schon über das verführerische Freizeitangebot, mit dem man in den Semesterferien die Zeit totschlagen kann, um bloß nicht mit dem Schreiben dieser verdammten Hausarbeiten anfangen zu müssen. Wenn die Sonne scheint, kann man sich besonders gut selbst betrügen und für mehrere Stunden ins nächste Naherholungsgebiet entschwinden – bei Frischluft denkt es sich ja bekanntlich besser. Dass wir bei diesen Ausflügen am Ende doch nur über die neue Frühjahrsgarderobe und nicht über unsere Hausarbeitsthesen sinnieren, braucht ja keiner zu wissen.

Doch selbst wenn das Wetter schlecht ist und man zuhause am Schreibtisch hockt, umzingelt von seinen brav aus der Bibliothek entliehenen Büchern, gibt es immer noch so viel anderes zu tun. Gelegentlich verfalle ich beim Arbeiten in spontane Meditationsphasen, und das geht so: man wendet sich für einige Minuten (oder Stunden) von seinem Thesenpapier ab und schaut stattdessen mit glasigem Blick aus dem Fenster – zwinkern verboten! Dabei denkt man an nichts, weder an Goethe noch an Net-a-Porters Neuzugänge. Die Meditationzeit lässt sich beliebig verlängern, je nach dem, wie unmotiviert man ist. Ich nenne es intellektuelles Faulenzen, würde mich einer dabei beobachten, würde der nämlich bestimmt denken, ich sei gerade beim geistigen Ausformulieren eines besonders genialen Forschungsergebnisses. Unter uns: ich bin es nicht.

In diesem Jahr darf ich mich allerdings zumindest im Fach Kunstgeschichte über einen tollen Heimvorteil freuen: die Fragestellung meiner Hausarbeit lautet nämlich, ob Modefilme auch Videokunst sein können. Weil ich so ein sorgfältiger Mensch bin, muss ich daher nun, ob ich will oder nicht, mindestens 50 Modefilme anschauen. Schließlich soll bei der ganzen Sache  auch ein differenziertes Forschungsergebnis herauskommen. Weil ich nicht nur sorgfältig, sondern auch listig bin, habe ich aus der Not gleich mal eine Tugend gemacht und für meine lieben Blogfreunde quasi simultan zur Hausarbeitsrecherche die besten Modefilme der Saison rausgesucht. So schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Was sag ich, drei! Wer kann mir sagen, was aus den schönen Videos da unten Kunst macht? Oder nicht macht? Ich erwähne Euch gerne in den Fußnoten!

1. & Other Stories
Bienvenue chez Jeanne Damas! Die französische Frau der Stunde lädt zur Kissenschlacht in ihr schmuckes Apartment. Aber Vorsicht: mit Jeanne ist nicht zu spaßen. Manchmal fängt sie willenlos an zu schreien oder wirft mit Kleidern um sich. Ist aber gar nicht so unsympathisch, wie es klingt!

2. 3.1. Phillip Lim
Bei 3.1. Phillip Lim gibt es immer was Neues zu lernen: aktuell erfahren wir, dass man auch in der Wüste besser nicht ohne Regenschirm unterwegs ist. Ansonsten braucht man dort nicht viel zum Überleben, außer der neuen Phillip-Lim-Kollektion natürlich: in der kann man sogar baden gehen.

3. Sister by Sibling
Ellen von Unwerths Film für Sister by Sibling ist so herrlich albern, dass man nicht wegschauen kann.
Echt gemein, wie die schöne Blondine den ganzen Tag das Haus putzt und Kuchen bäckt, nur um abends festzustellen, dass keiner zur geplanten Hausparty kommen will. Zum Glück gibt’s den Postmann! Der tanzt mit.

4. Jacquemus
La Grande Motte ist der hässlichste Ferienort Frankreichs – genau die richtige Location für Simon Porte Jacquemus! Der französische Jungdesigner liebt schließlich alles abseits der konventionellen Ästhetik und lässt seine hübschen ungeschminkten Models, eingekleidet in fabelhafte rosa Mini-Sweatshirts und weiße Tennisröcke, daher am liebsten zwischen Softdrinkmaschine und Betonstrand herumlaufen.

5. Gucci
Gucci-Mannequins können vieles – sogar Kung-Fu! Oder was genau wird hier geturnt? Großartige Inszenierung der Sommerkollektion – der Spannungsbogen plus Matrix-Musik ist unübertrefflich! Und nebenbei lernen wir auch noch, wie viel Bewegungsfreiheit so eine Gucci-Robe doch gewähren kann.

6. Hien Le
Anhand Hien Les Streifen „Awake“ sehen wir exemplarisch, wie wichtig das Genre des Modefilms ist: es zeigt die Mode nämlich in praktischer Anwendung, bei der sie in vielen Fällen weitaus stärker wirkt als auf dem Laufsteg. In „Awake“ träumt einer junger Schönling von einer imaginierten Frau, die er dann später, typisch Berlin, tatsächlich an der Bushaltestelle trifft.

7. Delfina Delettrez
Ich persönlich finde diesen Film nicht schön, aber wir machen das hier ja auch nicht zum Vergnügen. Alles Recherche! Für die filmische Präsentation ihrer Sommer-Kollektion hat die Schmuckdesignerin Delfina Delettrez mit dem Künstler Daniel Sannwald zusammengearbeitet, der ihre Entwürfe in einer galaktischen Second-Life-Sphäre in Szene setzt. Frage: wenn ein Künstler einen Modefilm macht, muss der dann nicht automatisch Videokunst sein?

-Ergänzungen-
8. A.P.C
Das französische Modehaus A.P.C. mag unspektakuläre Mode machen, die filmische Inszenierung gelingt aber perfekt. Hier bringt Regisseur Louis W. eine reichlich verwegene Blondine in der U-Bahn zum tanzen. Das Video ist so scharf, dass man ganz vergisst, dass bei A.P.C. überwiegend brave Baumwollkleider im Laden hängen.

9. „Mine“ für NOWNESS
Tanz scheint beim Modefilm die neue Trendsportart zu sein, wie wir sehen, kommt kaum noch ein Streifen ohne akrobatische Bewegungen aus. In „Mine“, dem neuen Modefilm aus dem Hause Nowness, tanzen nicht nur die Ballerinen, sondern auch die Kleider, unter anderem bereit gestellt von Labels wie Louis Vuitton, Maison Martin Margiela, Kenzo und La Perla.