
In irgendeinem Kulinarik-Magazin habe ich mal einen Artikel über die schlaue Beobachtung gelesen, dass die meisten Küchenchefs berühmter Gourmentrestaurants Männer sind, während zuhause überwiegend die Frau am Herd steht. Das sei doch irgendwie merkwürdig.
Die Berufswelt steckt eben voller ungelöster Rätsel. Auch in der Modebranche gibt es solch einen erstaunlichen Widerspruch zu vermelden. Clairette hat beobachtet: die meisten Gärtner sind Männer – trotzdem tragen fast nur Frauen Blumenprints! Warum ist das so? Mögen Männer keine Blumen? Kann doch gar nicht sein!
„Blütenmuster“, erklärt mein guter Freund A., der in seiner Studentenbude stets einen frischen Blumenstrauß stehen hat, „assoziiert man(n) allgemein mit Weiblichkeit. Ich will nicht aussehen wie ein Blumenmädchen.“ Auf meinen Gärtner-Hinweis geht er nicht ein, ist wohl albern. Und natürlich hat er nicht Unrecht: Blumen sind Dekorationsmaterial und damit gemeinhin Frauensache, Blumen sind meist rosa, rot, orange, gelb oder himmelblau, Blumen haben keinen praktischen Zweck, man kann sie nicht aus Lego bauen, mit Elektrotechnik antreiben oder ein PSP-Spiel daraus machen, auch in Action-Komödien, auf Fußballfeldern und Formel-1-Rennstrecken sind Kletterrosen und Tulpenbeete eher unterrepräsentiert.
Aber ist das wirklich der Grund dafür, warum Männer fast nie Kleidung mit Blumenprint tragen? Weil Blumen nicht in männlichen Interessengebieten wachsen? Spätestens seit der Sommersaison 2012, als Prada eine Damenkollektion mit Sportwagen-Prints herausbrachte, sind Frauen schließlich auch in maskulin bedruckten Seidenröcken unterwegs. Warum bleibt der Mann in Modefragen stets genierlich, während die Damenwelt mit unermüdlichem Enthusiasmus auch die letzten Bastionen der Herrenmode erobert? Außer Rennauto-Drucken tragen wir heute ja noch viel männlichere Sachen, Krawatten, Smokings, weite Jeans und Schnürschuhe, feiern die Man Repeller in uns und bleiben trotzdem echte Frauen. Der Mann aber meidet Blumenprints wie Bikinis, nämlich aus Angst davor, zum Woman Repeller zu mutieren, sprich in feminine Blümchenaura eingekleidet auf potenzielle Paarungskandidatinnen irgendwie abstoßend zu wirken. In geblümten Hemden fällt Mann nämlich auf, und Auffallen ist nach Auffassung vieler Herren unmännlich.
Das sehen die Modedesigner in London und Mailand natürlich anders. Selten gab es in der Herrenmode so viele Blumendrucke zu sehen wie in dieser Saison. 3.1. Phillip Lim hat eine Reihe saulässiger Blumenlooks im Angebot, weit geschnittene Bermuda-Shorts mit rot-weißem Lilienprint, T-Shirts mit abstrakten, von Palmenwedeln und Hawaiiblüten durchwucherten Schwarz-Weiß-Rauten, und ein ebenfalls geblümtes schwarzes Sweatshirt, an Bündchen und Halsausschnitt mit sportlichen Längsstreifen versehen. Beneidenswert schick sehen die Herren auch bei Prada aus, dort gibt es Blumendrucke in exotischer Ausführung auf Aktentaschen und luftigen Hemden zu sehen, genial kombiniert zu dunklen Anzughosen und nadelgestreiften Doppelreihern.
Dries van Noten schwört hingegen auf den Mann im Ganzkörperblumenstrauß: in seiner Sommerkollektion wächst von barocken Zierpflanzen über korallfarbenen Hibiskus bis zu gelben Kletterrosen alles, was das Blumenbeet zu bieten hat – und zwar auf Sakkos, Mänteln, Bermudas und Kurzarmhemden.
Ich finde das alles sehr nobel und herrlich anzusehen, von Unmännlichkeit keine Spur, es sind ja keine seidenen Blumenkleider, die wir hier betrachten, sondern maskuline Silhouetten mit frischer Neubepflanzung. Das Problem ist bloß: die meisten Männer bekommen von den tollen, innovativ geblümten Laufstegkreationen der Designer gar nichts mit. Einer der gut Informierten heißt Fabian Hart, in meinen Augen einer der besten deutschen Modejournalisten. Fabian weiß Bescheid über die Blumenschmach des Mannes, sieht das Thema aber gar nicht so pessimistisch – denn selbst wenn viele Männer in Modefragen aufgrund besagter mangelhafter Modekenntnis meist eher „safe fashion“, also Chino und Jeanshemd bevorzugten, sei immerhin an Mannes Füßen ein wenig floraler Vorwitz zu verorten: dort tragen nämlich immer mehr Herren Sneakers in buntesten Ausführungen.
„Wir arbeiten uns von unten nach oben“, sagt Fabian. „Jungs tragen Blumenmuster also nicht nicht, weil das Mädchenkram ist, sondern in den meisten Fällen einfach zu laut. Stilisiert funktionieren Pflanzen aber schon jetzt. Bei 3.1 Phillip Lim zum Beispiel. Da ist es eher Blattwerk statt voller Blüte und alles in verdaulicher Farbmelange.“
Auf die Dosis kommt es also an, mit einem heiteren Blumenhemd kann Mann doch mal beginnen, wenn er dazu weiter einen klassischen Anzug oder lässige Bermudas trägt. Und ohnehin gehört die alte Weisheit, Frauen bildeten das schöne Geschlecht, während Männer zumindest optisch gesehen tunlichst im Hintergrund zu bleiben hätten, längst begraben. Der Mann muss aufhören, ständig in Angststarre um den Verlust seiner Männlichkeit zu bangen, sobald er mal was anderes als Jeans und T-Shirt trägt. Frauen behaupten doch heute gern, sie könnten alles, was Männer können, und das manchmal sogar besser – warum sollte es nicht auch umgekehrt funktionieren? Wahre Maskulinität kommt sowieso von innen. Da können oben drüber ruhig noch ein paar Blümchen wachsen.
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Prada Sommer 2014 |
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Prada Sommer 2014 |
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Prada Sommer 2014 |
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Prada Sommer 2014 |
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Dries van Noten Sommer 2014 |
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Dries van Noten Sommer 2014 |
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Dries van Noten Sommer 2014 |
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Dries van Noten Sommer 2014 |
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3.1. Phillip Lim Sommer 2014 |
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3.1. Phillip Lim Sommer 2014 |
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3.1. Phillip Lim Sommer 2014 |
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3.1. Phillip Lim Sommer 2014 |
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3.1. Phillip Lim Sommer 2014 |