Vor einem halben Jahr habe ich für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung einen Artikel über die Berliner Hutdesignerin Jeonga Choi geschrieben. Die Kollegen von der FAS texteten dazu:„Friede den Hüten! Die junge Hutmacherin Jeonga Choi will uns die Scheu vorm Kopfputz nehmen.“ Darauf folgten dann lang und breit meine Ausführungen zum Thema, warum und wieso wir nun unbedingt wieder alle Hüte tragen sollten. Dieser Artikel ist ein schöner Beweis dafür, was ich doch für eine verlogene Journalistin bin.
Obwohl: das Problem besteht eigentlich gar nicht in meiner Angst davor, mit Hut auf dem Kopf unangenehm aufzufallen. Ich finde Hüte einfach anstrengend. Das ist doch mal ein interessantes Attribut für ein modisches Accessoire. Ich meine, ich würde nie auf die Idee kommen, irgendein anderes Kleidungsstück, das ich sonst so trage, als anstrengend zu bezeichnen – und sei es noch so unpraktisch. High Heels, auf denen man keine 10 Meter weit laufen kann, ohne sich den Hals zu brechen – herrlich. Bodies, die komplizierte Entkleidungsmaßnahmen erfordern, wenn man mal aufs Klo geht – gibt Schlimmeres. Zerfetzte Jeans, in denen man sich dank Durchzug eine Blasenentzündung holt – wer cool sein will, muss leiden. Überhaupt bin ich, wenn es um ein tolles Outfit geht, zäh wie ein Kamel. In Paris lief ich bei strömendem Regen in kupferfarbenen Glitzerpumps durch die Tuilerien, nur weil ich bei der Show von Elie Saab eben lieber mit durchnässten Füßen als in Gummistiefeln aufkreuzen wollte. Ja, ich bin bescheuert! Aber das ist mir egal. Mode ist eine Frage der richtigen Einstellung.
In Paris habe ich mir übrigens auch jenen Hut gekauft, mit dem ich da oben an der Straße herumstehe. Die Straße ist ebenfalls in Paris, und das Foto wurde wenige Stunden nach dem Hutkauf aufgenommen, was auch erklärt, weshalb ich ihn hier überhaupt auf dem Kopf trage. Ich habe die Angewohnheit, Kleiderschrankneuzugänge immer sofort anziehen zu müssen. Seit jenem Pariser Hutmoment habe ich das gute Stück allerdings nur ein einziges Mal wieder aufgesetzt. Ein Fehlkauf? Eigentlich hätte ich es besser wissen müssen, denn bereits vor ein paar Jahren erstand ich mal einen sehr schönen dunkelblauen Filzhut, den ich ebenfalls nur ein einziges Mal trug, und zwar in der Schule. Anschließend vergrub ich ihn für immer in der hintersten Schrankecke, nachdem meinen Klassenkameraden meine nun doch frappierende Ähnlichkeit mit einer Kräuterhexe aufgefallen war.
Heute bin ich selbstbewusster als damals, und tatsächlich stelle ich sogar fest, dass man mit einem Hut auf dem Kopf um ein Vielfaches charmanter aussehen kann als ohne. Auf jeden Fall sieht man besonders aus, vielleicht ein bisschen exzentrisch, in jedem Fall interessant. Gleichzeitig schwingt jedoch immer die Befürchtung mit, mit Hut auf dem Kopf irgendwie verkleidet auszusehen. Das ist das Syndrom der heutigen Modeära: alle wollen um jeden Preis natürlich aussehen, unprätentiös schick, bloß nicht zu sorgfältig angezogen. „I woke up like this“ lautet das Lebensmotto der Lässigen, was man mit einem Hut auf dem Kopf allerdings nur schwerlich behaupten kann.
Man-Repeller-Autorin Leandra Medine, ihrerseits passionierte Hutträgerin, hat das Phänomen folgendermaßen analysiert: ein Hut erfordere der allgemeinen Auffassung nach ein besonders ausgeprägtes Selbstbewusstsein, weil er dem heutigen Modeverständnis nach eher gesetzt als cool aussieht. Im Zeitalter der Coolness etwas so (vermeintlich) strenges wie einen Hut zu tragen ist demnach nur etwas für besonders nervenstarke Trendsetter. Im Umkehrschluss führt diese Annahme aber wiederum dazu, dass sich derjenige, der einen Hut aufsetzt, permanent von seinen Mitbürgern als arroganter Idiot mit chronischer Selbstüberschätzung beäugt fühlen muss. Vielleicht beäugen einen die Hutlosen aber gar nicht! Vielleicht bildet man sich das nur ein, während man so skeptisch und völlig verunsichert und überhaupt nicht selbstbewusst unter seiner Hutkrempe hervorspäht und paranoid die Gesichter seiner Mitbürger zu lesen versucht! Na, mitgekommen? Huttragen ist doch schwieriger als gedacht, selbst wenn die ganze Schwierigkeit nur auf reiner Illusion beruht.
Genau deshalb finde ich Hüte anstrengend. Man dürfte annehmen, dass man sich unter so einem schwarzen Helm stärker vorkommt als ohne, irgendwie beschützt, aber tatsächlich strapazieren Hüte meine Nerven – auch deshalb, weil sie doch leider so ungewöhnlich geworden sind, dass man nie sicher wissen kann, ob sie nun wirklich zum Outfit passen oder nicht.







