Cristiano Ronaldo auf dem Cover der spanischen Vogue. Nackt. Und das drei Wochen vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft. In allem Trubel hat es der portugiesische Stürmer doch tatsächlich noch ins Fotostudio des Hochglanzmagazins geschafft und sich dort einzig mit Ohrring bekleidet ablichten lassen. Nur der geschmeidige Körper seiner Freundin Irina Shayk, die natürlich Model ist und vor ihm stehend posiert, verbirgt sein schönstes Organ, allerdings auch nur knapp – der interessierten Vogue-Leserin wird der Ausblick auf das verräterische V seiner Lendengegend jedenfalls nicht entgangen sein. Wie das schönste Paar der griechischen Antike sehen die beiden aus, Irina und Cristiano, Apollo und Daphne, die athletischen Körper verschmelzen zu einer haselnussfarbenen Idealsilhouette, betitelt mit der kontrastscharfen Überschrift Amor y fútbol, eingefangen vom Chefgott des Modeolymps, nämlich Mario Testino. Das nenne ich mal ein Cover! So heiß, ich will am liebsten hineinbeißen.
Abgesehen von der unverhohlenen Betörung, die dieses Foto ausstrahlt, ist der entscheidende Punkt natürlich ein anderer: ganz eindeutig haben wir es hier mit einer kühnen Kopie des US-Vogue-Covers mit Kim Kardashian und Kanye West zu tun, das, sowohl im Original als auch in vielfach parodierter Form im vergangenen Monat um die Welt ging. Der Unterschied zwischen Kimye und Criri ist, abgesehen von den Protagonisten selbst, marginal: erstere wirken in Smoking und Hochzeitskleid geradezu förmlich, während Cristiano einen deutlich lässigeren Dresscode bevorzugt. Irinas Robe sieht avantgardistischer aus als Kims champagnerfarbenes Taftgewand, ist aber ebenso schulterfrei. Sie greift mit dem Arm nach hinten, um ihren Schatz am Ohrring zu kraulen, Kanye langt von hinten nach vorn und misst dabei wahrscheinlich heimlich den Taillenumfang seiner Verlobten. Insgesamt haftet Testinos Foto eine weitaus emanzipiertere und lässigere Bildsprache an, doch die Grundaussage bleibt die gleiche: das Laufstegmodel als Covergirl hat ausgedient, der neue Vogue-Kurs folgt dem reißerischen Starkult, und was wir sowieso schon wussten: sex sells. Jedenfalls hat die Süddeutsche Zeitung in der gestrigen Meldung spitzfindig bemerkt, dass das spanische Vogue-Cover nicht nur mit Cristianos Nackheit locke, sondern auch zu der prickelnden Spekulation anrege, was er wohl so versteckt hinter dem Rücken von Irina gerade mit seiner linken Hand anstellt.
Also, mir ist das ja egal, ich will mir über solche Sachen wirklich nicht den Kopf zerbrechen. Viel interessanter ist jene weitere Bemerkung in besagtem Artikel der Süddeutschen:
„Dass die Vogue einen nackten Mann aufs Cover packt, zeigt, dass Stil ein Begriff von gestern ist“.
Ist das so? In Anbetracht der Tatsache, dass es sich hier nicht um irgendeinen Mann, sondern um den Weltfußballer des Jahres handelt, würde ich doch viel eher sagen, dass die Vogue sowohl in den USA als auch in Spanien mittlerweile eingesehen hat, dass Stil einfach kein Verkaufskriterium ist. Man kann mit einer Aymeline Valade oder Daria Werbowy im Céline-Kleid ein wirklich tolles Bild für die Frontseite entwerfen. Man kann aber auch einfach einen charakterlosen Reality-TV-Star oder braungebrannten Fußballer vorne abbilden und schon ist die Ausgabe ein Skandal und damit von Los Angeles bis Laos in aller Munde.
Klingt komisch, ist aber so: um ein Modemagazin an den Mann zu bringen, packt man möglichst wenig Mode auf die Front. Mode interessiert schließlich nur ein ausgewähltes Publikum. Trash-Ikonen auf einer ikonischen Modezeitschrift, das ist das freimütige Eingeständnis der modischen Kulturlosigkeit. Selbst die deutsche Vogue, bisher noch einer der letzten verbliebenen Botschafter eines intellektuellen Modeverständnisses, hat sich dem Siegeszug der pop-orientierten Schwarmintelligenz mittlerweile unterworfen und Skandalnudel Miley Cyrus für das Cover der Märzausgabe ablichten lassen. Im Vergleich zum nackten Cristiano war das natürlich immer noch geradezu Hochkultur – aber wer weiß, vielleicht macht sich Christiane Arp ja längst Gedanken über ein richtig poppiges Sensationscover und befindet sich dafür bereits in Verhandlungsgesprächen mit einem bekannten Kulturbanausen, zum Beispiel Bastian Schweinsteiger. Obwohl, der hat ja gerade keinen fotogenen Anhang. Wie wär’s mit Boris Becker? Der war allerdings erst kürzlich auf dem Cover der Fantastic Man…