Paul Smith, hausgemacht

ODER AUCH: REIßVERSCHLUSS-NÄHEN FÜR DEPPEN
Bei diesem DIY-Projekt habe ich mich erstmals wirklich ein bisschen vor dem Nähen gefürchtet. Kurzzeitig erwog ich, mit Stoff und Schnittmuster im Gepäck zum Schneider zu gehen und das Stück dort einfach heimlich professionell herstellen zu lassen. Schon klar, das hier ist eine Trial-and-Error-Kolumne – ich versuche hübsche Kleider vom Laufsteg nachzunähen, was dank des Errors in der Namensgebung dieser Artikelreihe nicht zwangsläufig gelingen muss. Aber jetzt mal unter uns: Trial macht viel mehr Spaß als Error! Ich habe schon zu oft in meinem Leben teuren Seidenstoff in die Tonne werfen müssen, weil ich beim Nähen feststellen musste, dass ich für diese hochkomplexe Hausfrauentätigkeit manchmal einfach zu blöd bin.
Bild via style.com

Aber der Reihe nach: eine kurze Sichtung der Sommerkollektion 2014 von Paul Smith sorgte für ein akutes Bedürfnis nach einer petrolblauen Palazzohose, so wie auf obigem Laufstegbild zu sehen. Was Paul Smith kann, kann Burda schon lange: dort fand ich die Anleitung für Hosenmodell Nr. 104, das dem Schnitt des britischen Runway-Originals zum Verwechseln ähnlich sieht. Toll! Gelegentlich kann das Leben wirklich ein Laufsteg sein. Beim Lesen der Nähanleitung kam dann aber doch der Haken: bedauerlicherweise verlangt solch eine Palazzohose nämlich nach einem ordentlichen, nahtverdeckten Reißverschluss. Ich mag aber keine Reißverschlüsse. Besser: ich hasse sie. Ich habe Angst vor ihnen.

„Hast Du Lust, für mich einen Reißverschluss in eine Hose einzunähen?“, fragte ich meine gute Freundin L., ihrerseits Modedesign-Studentin. „Nie im Leben“, sagte L. – nicht aus Faulheit, sondern weil die Angst vor dem Reißverschluss offenbar auch im professionellen Modedesigner-Milieu stark verbreitet ist.

Also musste ich doch selbst ran. Tapferes Schneiderlein spielen. Ich beschloss, bei diesem Projekt endlich einmal vom Anfang bis zum Ende sorgfältig zu arbeiten. Irgendwie würde ich doch mit diesem dämlichen nahtverdeckten Reißverschluss fertig werden.

Bis Schritt 5 ging alles glatt. Ich brauchte kaum in die Anleitung zu schauen, Beinkleider sind viel leichter zu nähen, als man denkt. Dann allerdings ging es ans Eingemachte: 

„Angeschnittene Schlitzbesätze nach innen bügeln, rechts entlang der vord. Mitte, links 5 mm vor der vord. Mitte. An der linken Schlitzkante (Untertritt) den Reißverschluss schmal neben den Zähnchen untersteppen.“

Auwei! Was ist ein Untertritt? Was heißt hier vor der vorderen Mitte? Mit Unterstreichungen in Nähanleitungen ist nicht zu spaßen, wer die ignoriert, landet im Fegefeuer der Handarbeiten. Blöd, dass ich dank eines angeborenen Gen-Defekts (vermutlich) geistig nicht in der Lage bin, abstrakte Textanweisungen in physische Handlungen zu übersetzen. Mit anderen Worten: ich bin zu dumm für die Burda-Nähanleitungen. Traurig, aber wahr. Was hermusste, waren minutiöse Anleitungsschritte inklusive detaillierter Bebilderung – Reißverschlussnähen für Dummies. Nach kurzer Google-Recherche fand ich zurück zur Burdastyle-Seite: dort findet man unter diesem Link eine idiotensichere Anweisung zum Nähen eines einseitig verdeckten Reißverschlusses, inklusive hübscher Zeichnungen.

Was sich jetzt empfiehlt, ist schlichtweg millimetergenaue Fleißarbeit. Ich habe überall brav abgemessen, wie weit die Kanten zurückgebügelt werden müssen, den Reißverschluss vor dem Nähen festgeheftet, und im Schneckentempo gearbeitet, um schiefe Nähte zu vermeiden. Nähstreber sein lohnt sich: ein sauberer, nahtverdeckter Reißverschluss verleiht der ganzen Hose doch einen Hauch von Professionalität. Als das gute Stück endlich fertig war, fühlte ich mich wie ein Champion nach dem 800-Meterlauf. Vorher denkt man: das schaffe ich nie. Hinterher ist man doppelt glücklich, weil man es doch tatsächlich lebend über die Ziellinie geschafft hat. Und will gleich nochmal loslegen. Ich jedenfalls habe durch dieses Erfolgserlebnis eine plötzliche Freude an Reißverschlüssen entdeckt. Ich bin richtig traurig, dass der Blazer, der mir für die perfekte Paul-Smith-Laufsteglook-Kopie noch fehlt, keinen Reißverschluss hat. Also muss ich als nächstes wohl was anderes nähen: ein Reißverschlusskleid zum Beispiel – ein Kleid nur aus Reißverschlüssen! Klingt hässlich, ist es auch.

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