Man könnte annehmen, dass Menschen mit hohen ästhetischen Ansprüchen ein elegantes Dasein fristen – tatsächlich aber befinden sie sich im Dilemma ständiger Rastlosigkeit. Hat man erst mal mit dem stilvollen Leben angefangen, nimmt das Streben nach ästhetischer Perfektion kein Ende. Einen Burberry-Trenchcoat in einen Ikea-Schrank zu hängen geht für den Ästheten zum Beispiel auf keine Kuhhaut. Für entspannte Leute ist so was kein Problem, aber der Ästhet zählt nicht zu den entspannten Leuten. „Ich habe einen einfachen Geschmack: ich möchte von allem nur das Beste“, hat Oscar Wilde mal gesagt, und genau das trifft das Motto des Typus Stilguru. Stilvoll leben ist wie Leichtathletik – zweimal die Woche zum Training gehen reicht nicht, man muss diesen Sport leben, ihm alles andere unterwerfen.
So muss sich also auch der elegante Mensch, der in allen Bereichen, von der Wohneinrichtung über seine Garderobe, Partnerwahl, Essgewohnheiten bis zum Urlaubsziel stets nach absoluter Überdurchschnittlichkeit strebt, aktuell mal wieder in einer jammervollen Zwickmühle befinden: die Modedesigner präsentieren ihre Resortkollektionen für die Urlaubssaison 2015, die meist noch schöner, weil tragbarer als die großen Sommer- und Winterkollektionen sind.
Wer nun A sagt, will auch B sagen – heißt: wenn ich mir im Winter, wenn die Resort-Saison in die Läden kommt, zum Beispiel diesen himmelblauen Doppelreiher von Gucci zulegen möchte, so müsste ich streng genommen auch gleich ein passendes Urlaubsziel dazu buchen. Sonst macht das Ganze ja ästhetisch und praktisch gesehen überhaupt keinen Sinn. In einem Gucci-Mantel kann man unmöglich auf dem Campingplatz übernachten. So kommt es, dass der stilvolle Mensch entweder mit gutem Geldpolster ausgestattet sein muss – oder, und das ist wohl wahrscheinlicher, auf Kosten eines Gönners lebt. Oder auf Kosten der Bank. Oder auf niemandes Kosten, und das nennt man dann Privatbankrott. Bedauerlicherweise sehen Löcher in den Taschen nicht so stilvoll aus.
Wir haben das Spiel „Wenn ich in Dior nach Kapstadt reiste“ im letzten Jahr schon einmal durchgespielt, damals mit zu den Resortkleidern thematisch passenden Luxushotelempfehlungen. Was ich beim eifrigen Schreiben dieses Beitrags damals nicht bedacht habe: Herbergen wie den omanischen Sechs-Sterne-Schuppen Al Bustan können prinzipiell nur Leute besuchen, die für das Lesen dieses Mode- und Reiseblogs wahrscheinlich gar keine Zeit haben, weil sie doch ständig mit Reiche-Leute-Aktivitäten beschäftigt sein müssen, zum Beispiel der Einweisung ihres Poolpersonals. Was aber soll der gemeine Arbeitnehmer, der kein Poolpersonal, aber Zeit zum Bloglesen hat, mit solch einem Artikel anfangen?
In diesem Jahr wollen wir zum Wohle des eleganten Ottonormalverbrauchers die Kirche im Dorf lassen und dafür mit unseren Resortkleidern nicht virtuell, sondern ganz real verreisen: nämlich in die schicksten Hostels von Miami bis Moskau, von São Paolo bis St. Alban, von Reykiavik bis Lissabon. Überall auf dem Globus schießen derzeit Jugendherbergen auf Luxusniveau aus dem Boden, mit Designermöbeln, Bio-Frühstück und Zimmerpreisen ab 15 Dollar. Einige haben sogar einen Swimming Pool. In solch fabelhaften und zugleich bezahlbaren Unterkünften wird der stilvolle Mensch mit feiner Urlaubsgarderobe im Handgepäck allen ästhetischen Ansprüchen gerecht. Bitte sehr: hier kommt der erste exklusive ultimative längst überfällige Hostel-Resort-Guide 2015!
1. In Fendi nach Malaysia










2. In Chanel nach Istanbul
Nach Versailles, Antibes und Singapur zog es Chanel zur Präsentation seiner Resort-Kollektion in diesem Jahr an den lukrativen Standort Dubai, wo mich persönlich keine zehn Pferde hinkriegen würden, und wenn man mir die gesamte Chanelkollektion noch gratis dazu hinterherwürfe. Lieber spare ich selbst auf eine der rot-weißen Pali-Tuniken zu Halbmond-Haarreif, eine Midirobe mit funkelndem Kacheldruck oder die gerüschte Pluderhose zur Ali-Baba-Kastenjacke und reise damit nach Istanbul, wo die vielzitierte Fusion von Orient und Okzident in der Innenarchitektur des Bunk Hostel Beyoglu perfekte Umsetzung erfährt. Unter ornamentierter Sternendecke schlummert man hier im minimalistischen weißen Federbett.








3. In Sonia by Sonia Rykiel nach Miami
Poolblau und erdbeerrosa leuchten die gestrickten Kleider und gekürzten Jäckchen, Sweatshirts und Lackplateaus der jungen Zweitlinie Sonia by Sonia Rykiel. Das Freehand Hostel in Miami bietet für diese spritzige Kollektion das richtige Setting: am Swimming Pool fühlt man sich wie im mondänen Château Marmont, in der bunten Lobby wie im Wohnzimmer geschmackssicherer Hippies. Wer braucht da noch ein Sterne-Resort?












4. In Louis Vuitton nach São Paolo
Nicolas Ghesquière bleibt der Meister-Chemiker der Modewelt: für die Urlaubssaison 2015 lässt er bei Louis Vuitton feminine 70er-Silhouetten mit futuristisch gelöchertem Material, klassischen Chic mit extravagantem Charme und mädchenhafte Verspieltheit mit selbstbewussten Farbkombinationen fusionieren. In diesem Aufzug ist man im We Hostel in São Paolo wunderbar aufgehoben: wo Bauhausmöbel im Wohnzimmer stehen und knallblaue Kacheln im Badezimmer leuchten, wird man sich in pastellgelben Schlaghosen und Zippjacken aus türkisfarbener Spitze sicherlich wohl fühlen.












5. In Erdem nach St. Alban
Eines der Highlights der diesjährigen Resort-Saison: die Kollektion des britischen Labels Erdem. Smoking-Blazer mit buntem Blumenbeet an der Saumkante, romantische Millefeuille-Blusen zu schwarzen Herrenhosen, perforierte Rüschenspitze und babyblaue Loafer mit exotischem Pflanzenbewuchs – in diesem Aufzug würde ich gerne durch den Garten meines alpinen Jagdschlösschens lustwandeln. Dummerweise habe ich kein alpines Jagdschlösschen. Deshalb fahre ich nach Basel und miete mich im Hostel Basel in St. Alban ein – Holz, Beton und Arne-Jacobsen-Stühle sorgen hier für ein oasenartiges Ambiente, das meinen Erdem-Kleidern bestimmt nicht die Show stehlen wird.










6. In Gucci nach Lissabon
Wie schick Stockbetten aus Sperrholz aussehen können, beweist die originelle Einrichtung des Independente Hostel in Lissabon: zu antiken Dielen und Stuckdecken passen die unbehandelten Schlafzimmermöbel ganz hervorragend. In der Lobby geht es mit Kachelboden und Ledersesseln gediegener dazu – der optimale Schauplatz für die Resort-Kollektion von Gucci! In geblümten Bermudashorts, Loafern mit Funkelsteinen, Kurzmänteln aus Schlangenhaut, cognacfarbenen Steghosen und seidenen Halstüchern darf man sich hier wie der portugiesische Jetset vorkommen.












7. In Altuzarra nach Moskau
Darf’s auch ein bisschen Folklore sein? Im Moskauer City Loft Hostel leuchten die Vorhänge so rot wie der Hosenanzug von Altuzarra. Über den Stockbetten baumeln vornehme Kronleuchter, also kann man hier sicher ganz bedenkenlos in den schicken neuen Resort-Kreationen des New Yorker Designers aufkreuzen: zum Beispiel jenem feinen cremeweißen Blazer mit gefranster Quastenapplikation am Revers oder der luftigen Leinenbluse mit Ornamentstickerei.










8. In Tibi nach Reykjavik
Mit geblümten Shorts und braun-weiß-gestreiften Palazzohosen, geometrisch gemusterten Plissée-Midikleidern, seitlich geschnürten Tops und Ganzkörper-Ensembles mit Paisley-Print der Marke Tibi reisen wir ins liebevoll eingerichtete Kex Hostel nach Reykjavik, wo man in einem ehemaligen Schulgebäude unter Landkarten schlummert und die Wände mit Vintage-Comics tapeziert sind. Flache Lederlatschen sollte man auch mitnehmen, um den gelangweilten Hostelhund mal zum Stadtspaziergang ausführen zu können.











