Ein Bild verkauft mehr als tausend Worte

IST INSTAGRAM DIE NEUE DAUERWERBESENDUNG?


Kürzlich erreichte mich eine Email aus Australien. „Dear Clairette“, hieß es da, „we came across your Instagram account. We would love to send you a Bikini.“ Toll, dachte ich, ein Gratis-Badeanzug, und das nur, weil ich gelegentlich ein Bild von einem Swimming Pool oder meiner Fratze hochlade. Ich las weiter:„Please choose your favourite style. We would love for you to post a picture of the Bikini, but no pressure.“

Ah ja. Natürlich. Die Dauerwerbesendung ist ja leider ausgestorben, oder zumindest auf unbeliebte Kanäle zu noch unbeliebteren Sendezeiten verbannt worden. Stattdessen generieren Firmen nun über Instagram das Millionengeschäft – mit einer gemeinen Tücke: während die Dauerwerbesendung klar als Verkaufsplattform gekennzeichnet ist, tut Instagram weiterhin so, als sei es bloß der virtuelle Treffpunkt von Freunden und Fans; eine feine Möglichkeit, seinen Bekannten über Bilder statt Worte mitzuteilen, was man gerade Spannendes erlebt.

So weit, so unrealistisch: mittlerweile hat jede Dorfbäckerei einen eigenen Instagram-Account und nutzt die Plattform lustig als Gratis-Werbefläche. Schließlich weiß jedes Kind: ein Bild verkauft mehr als tausend Worte. Doch das allein wäre ja nicht problematisch. Bedenklich wird es, wenn Firmen Geschenke verschicken und die Empfänger dadurch zu ganz beiläufig gestreuten Posts ihrer angeblichen Kleiderschrankneuzugänge bewegen – in einem Rahmen, der die versteckte Promotion keineswegs erkennen lässt.

Ein Bekannter zeigte mir neulich stolz seine neue Armbanduhr. „Hab ich auf Instagram entdeckt“, erläuterte er den Hintergrund seiner Erwerbs. Auf Man Repeller’s Account präsentiert Leandra Medine regelmäßig herrliche Modeträume wie die brandneuen Ballerinas mit Augenstickerei von Charlotte Olympia, gefranste Pantoletten von Chloè, schwarz-weiße Loafer von Fratelli Rossetti. Letztere habe ich mir auch gekauft, nachdem ich sie auf dem Instagram-Account der New Yorker Über-Bloggerin entdeckt hatte. Man Repeller zählt 641 000 Abonnenten, da wäre es doch mal interessant zu erfahren, was sie für das Instagram-Foto von einem Paar Schuhe so kassiert. Nur die Schuhe selbst? Oder einen Betrag im vierstelligen Bereich? Wahrscheinlich hat Medine längst einen speziellen Agenten engagiert, der sich nur um das Management ihrer gesponserten Instagram-Beiträge kümmert.

So ersetzt Instagram langsam aber sich die konventionellen Werbeflächen von Marken mit unterschiedlichster Reichweite. Gerade in der Modewelt, deren Business auf Äußerlichkeiten basiert und deren Botschaften sich daher weitaus besser über Bilder als über Wortkanäle wie Twitter oder Facebook verbreiten lassen, ist diese Tendenz unübersehbar. Dabei haben große wie kleine Firmen ihren Vorteil: ein kleines Label mit wenig Budget kann die Foto-App hervorragend als kostenlose Werbeplattform nutzen und so seinen Kundenstamm erweitern. Ein gesponserter Post auf Facebook kostet Geld, auf Instagram muss man dagegen nur die richtigen Hashtags setzen und kann in kürzester Zeit ein riesiges Publikum erreichen.

Ein Weltkonzern wie Chanel kann dagegen über Instagram mit einer jungen Fangemeinde in Kontakt treten und dadurch trotz seiner Größe Persönlichkeit und Kundennähe simulieren. Interessanterweise hat Chanel zwar tatsächlich ein Instagram-Konto, aber noch keinen einzigen Beitrag gepostet. Trotzdem zählt der Account bereits 1,6 Millionen Anhänger – 1,6 Millionen Menschen, die es gar nicht abwarten können, mit visueller Werbung, die als nette „Behind-The-Scenes“-Bilderbotschaften maskiert wird, überflutet zu werden.

Natürlich gibt es zwischen all den Werbebeiträgen von Firmen, Bloggern und Stilikonen auch noch Accounts von Leuten, die die Foto-App aus reinem Vergnügen und privatem Spaß an der Sache nutzen. Hier greift das ursprüngliche Prinzip von Instagram noch:

Instagram is a fastbeautiful and fun way to share your life with friends and family.

Doch selbst wer nur Bilder von sich selbst postet, betreibt letztendlich eine Form der Dauerwerbesendung: „Ein Selfie“, so schrieb Tillman Prüfer neulich im ZEIT-Magazin, „ist nicht einfach nur ein Bild von uns. Es ist ein Bild, das wir von uns machen, das uns genau so zeigt, wie wir gesehen werden wollen.“ Die Selbstporträtierung, aber auch Fotos vom Bier am Strand, von meinen vielen Freunden, vom Swimming Pool im Urlaub und dem hübsch drapierten Essen im Restaurant seien nichts anderes als Teil der permanenten Werbekampagne für das eigene Ich. Das gibt dem heiteren Zauber der Foto-App in der Tat einen ziemlich bitteren Beigeschmack. Hinter der vermeintlichen Unterhaltsamkeit des persönlich kuratierten Fotostreams, durch den ich mich mit Vergnügen schon morgens vor dem Aufstehen im Bett scrolle, steckt eine global verzweigte Werbemaschinerie mit unaufhaltsamer Eigendynamik. Im Herbst 2013 haben die Gründer der App angekündigt, Firmen genau wie auf Facebook künftig auch auf Instagram das Schalten gesponserter Posts zu ermöglichen, die auf den ermittelten Interessen der Nutzer basierend in den jeweiligen Feed eingestreut werden sollen.



Dagegen wehren gilt nicht – wir haben uns die Mitgliedschaft ja selbst ausgesucht, um auch ja selbst live beim Geschehen dabei sein können. Und natürlich werde auch ich mich hüten, mich selbst von alledem auszunehmen: wenn mir Chloè ein Paar gefranster Pantoletten schenkt und als einzige Gegenleistung verlangt, dass ich ein schönes Instagram-Foto von meinem angeblichen Kauf davon mache, sage ich ganz bestimmt nicht Nein. Und wo bleibt der Spaß, wenn ich im Urlaub nicht gelegentlich mal ein Bild von der schönen Aussicht aus meinem Hotelfenster poste, um meinen 2231 Instagram-Followern mitzuteilen, wie gut es mir gerade geht?

Die Frage ist: wie gefährlich ist Werbung, von der man nicht weiß, dass es sich dabei um Werbung handelt? So wie Facebook uns vorgaukelt, das Freundebuch der Welt zu sein, simuliert Instagram eine Art globales Fotoalbum – nur, dass man bei der dauerhaften Inszenierung von Firmen und Privatpersonen längst nicht mehr die kommerziell motivierte Werbung vom reinen Unterhaltungsfaktor der App unterscheiden kann. Denn natürlich kann Instagram auch Spaß machen. Nämlich dann, wenn die Nutzer dort keine Werbekampagne in eigener Sache betreiben, sondern mit wirklich guten Fotos von originellen Alltagsentdeckungen und ästhetischen Motiven für Inspiration und Spaß sorgen. Fotografinnen wie @Pfeffii und @SandraSemburg zeigen Kostproben ihrer Arbeit, @Travelettes und @Miss_Moss inspirieren bei der Urlaubsplanung und dank des Accounts von @JamieOliver weiß ich im Zweifel immer, was ich mir zum Mittagessen kochen soll. Solange ich mir der Tatsache bewusst bin, dass er für das subtile Platzieren einer bestimmten Olivenöl-Flasche im Bild möglicherweise einen Haufen Geld kassiert hat, ist ja alles in bester Ordnung…oder?