Wie wär’s mit einem Taucheranzug?

DIE MODISCHE ANTWORT AUF DIE SOMMERHITZE

Sobald die Temperaturen über 30 Grad steigen, fängt mein Kopf an zu dampfen und ich komme auf lustige Ideen. Heute zum Beispiel: was haben Bond Girls und das Sams gemeinsam? Richtig, den Taucheranzug. Claudine Auger trug ihn 1965 in Nassau anlässlich der 007-Folge Feuerball, und auch wenn es schlussendlich Halle Berry (Stirb an einem anderen Tag) gewesen sein muss, die sich im orangefarbenen Bikini mit integriertem Messergürtel für alle Zeiten den Titel der Sexiest Badenixe Alive sicherte,  wollen wir auch dem Taucheranzug an dieser Stelle endlich einmal den gebührenden Tribut zollen.

Meiner Ansicht nach wird dieses Kleidungsstück grundlegend unterschätzt. Im Alltag der emanzipierten Frau des 21. Jahrhunderts kommt der Neopren-Strampler nicht vor, und das ist tatsächlich merkwürdig, wenn man bedenkt, dass es noch jeder andere einst als faux pas und völlig verboten bezeichnete Zwirn – von der Fetzenjeans über die Adilette bis zum Sport-BH – auch irgendwann mal auf’s internationale Parkett der Modewelt geschafft hat. Warum nicht der Taucheranzug?

Beim Sams, einem meiner liebsten Fabelwesen, lassen sich die positiven Eigenschaften des wetsuits besonders anschaulich beobachten. Das Sams ist tagein, tagaus in Taucheranzug und Schwimmflossen unterwegs und wirkt damit auf wundersame Weise stets weder under– noch overdressed. Mit dem Taucheranzug verbindet man immerhin keine schäbige Hartz-IV-Montur wie bei der Adilette, ebenso wenig muss man sich darin zu aufgetakelt vorkommen, was unter anderem daran liegt, dass chronisch aufgetakelte Gestalten wie Kim Kardashian oder Olivia Palermo noch nie im Taucheranzug gesichtet wurden. Der Taucheranzug auf der Straße ist das Modestatement in seiner reinsten Form. Ich denke praktisch und bin trotzdem modisch, weil ich mit Kleiderkonventionen breche und mal was Neues wage, mein Stil ist futuristisch und ich selbst ein Mensch mit sportlichen, also korrekten Ansichten – lauter solche tollen Eigenschaften signalisiert eine Frau im Taucheranzug. Wenn man originell und supercool, dabei aber nicht allzu leger auftreten und andererseits auch nicht wie die dämliche Palermo aussehen will, so ist man mit dem Taucheranzug sicherlich ganz hervorragend beraten.

Das erinnert mich übrigens an einen Spruch meines Vaters, den ich mir als Teenager häufig anhören musste. Als ich so 14, 15 Jahre alt war, wurde ich, wie alle wandelnden Baustellen in diesem Alter, regelmäßig von handfesten Lebenskrisen heimgesucht. Vor allem wusste ich nie, was ich anziehen sollte. „Wie wär’s mit einem Taucheranzug?“ pflegte mein Vater als trockene Antwort darauf zu geben. In Zeiten derart tropischer Temperaturen, wie wir sie aktuell nördlich der Alpen erleben, erscheint dieser Vorschlag nun gar nicht mehr so verkehrt. Denn wenn es so heiß ist, dass man nicht weiß, was man anziehen soll, weil es ja eigentlich das Beste wäre, gar nichts anzuziehen, dann sollte man den Taucheranzug als Outfitoption doch wirklich mal in Erwägung ziehen.

Wie todernst dieser Vorschlag gemeint ist bewiesen schon die Laufsteglooks der Sommerkollektion 2014 von Tommy Hilfiger, die ungeachtet der latenten Schnöseligkeit, die man sonst so mit der amerikanischen Marke verbindet, einen erstaunlichen Hype um Bademode im wetsuit-Chic auslöste. J.Crew hat das Swimwear-Segment ausgebaut und bietet nun kurz- und langärmlige Surftops aus Spandex. Darin kann man sicherlich toll Wellen reiten oder auf Walfang gehen, zu Shorts oder Minirock aber noch toller durch die Stadt laufen.

Auch die Taucheranzüge von Cynthia Rowley, diesmal wieder Neopren im Ganzkörperlook, sind so schick, dass ich ernsthaft über die Anschaffung eines solchen Modells nachgedacht habe. Ich sehe mich darin schon über den glühenden Asphalt der Friedrichstraße flanieren, allzeit bereit für eine erfrischende Abkühlung im nächstgelegenen Springbrunnen. Und man weiß ja nie, ob man nicht spontan zu einer Poolparty eingeladen wird (der größte anzunehmende Unfall wäre für mich der Besuch einer Poolparty ohne Badesachen! Schrecklich). Auch ein plötzlicher Wolkenbruch ist nicht auszuschließen. Da ist man froh, statt des immergleichen weißen T-Shirts mal zum eleganten Neopren-Anzug gegriffen zu haben. Der Sommer ist schön, zugleich aber auch eine Jahreszeit voll unvorhersehbarer Unwägbarkeiten und Überraschungen. Warum wir nicht längst darauf gekommen sind, uns mit einem Taucheranzug dagegen zu wappnen, ist und bleibt mir ein Rätsel.

Laufstegbilder via Style.com