Ping Pong im Pelz

VON WEGEN MONDÄN: SO PFIFFIG WAR LUXUSMODE SELTEN

In einem Pelzmantel kann man prima Camping-Urlaub machen. Auch Ping Pong spielen geht gut, draußen neben dem Kaktus-Beet, dazu trägt man am besten das orangefarbene Modell. Ein Saure-Gurken-Picknick in der Wohnmobilküche, eine Runde Zeichentrickfilme schauen, den Mops streicheln, so richtig gepflegt herumgammeln – das tun die drei schrulligen Damen im Kurzfilm der britischen Designerin Hannah Weiland. Ihr Label heißt Shrimps, und die Idee dahinter ist so simpel und feinsinnig wie ein Teller Krustentiersuppe – Hannah Weiland macht Jacken aus buntem Fake-Pelz. Was einmal nach verruchter Millionärsgattin im besten Alter aussah, wird bei ihr zum verspielten Luxusprodukt ohne schlechtes Gewissen: die Modelle werden aus Modacrylfaser gefertigt, einem hochwertigen Kunstmaterial, und anschließend kräftig in den Farbtopf getaucht. Wäre ja auch langweilig, so ein stinknormaler Pelz in tristem Braun!

„…perfect for the forward-thinking customer with a taste for the fun in fashion“, so beschreibt das Unternehmen, das es mit seiner ironischen Geschäftsidee bereits zu prominenten Platzierungen in sämtlichen Luxusmagazinen gebracht hat, die Shrimps-Zielgruppe. Und identifiziert Hannah Weiland damit als weitaus pfiffiger als all die anderen Jungdesignerkollegen mit Vorliebe für quirky fashion: offenkundig hat sie nämlich verstanden, dass die wohlhabende Modeklientel immer jünger wird – und damit auch wilder. Was soll ein achtzehnjähriges Londoner Party-Girl mit Muttis Nerzmantel? In bunten Fake-Fasern kann man doch so viel mehr erleben.

Ob Shrimps Schuld ist an der unübersehbaren Tendenz zu bunter Fellbekleidung, wie wir sie in dieser Saison auf den Laufstegen erleben? Kaum eine Luxusmarke kommt im kommenden Winter ohne die kaleidoskopische Pelzjacke aus. Die tierfreundliche Kunstfaser bleibt dabei Hannah Weilands Distinktionsmerkmal – doch auch Echthaar lässt sich ganz hervorragend in alle Kolorite des Regenbogens tauchen, wie Altuzarra, Marni oder Prada beweisen. Pelz ist in diesem Jahr nicht mehr vornehm, sondern geradezu zirkustauglich. Von bunt gescheckten Fellmänteln mit Schachbrettmuster bei Roksanda Ilincic und Topshop Unique über Kurzjacken mit irisierendem Zickzack in Bonbonfarben bei Valentino bis zu Gucci’s fluffigen Ziegenhaar-Mänteln in Babyblau und Schweinchenrosa  – der naturfarbene Nerz scheint allüberall ausgedient zu haben. Céline lanciert den einhändigen Pelzmuff in Müllabfuhr-Orange, Paul & Joe den Fell-Foulard in Zitronengelb. Ob man in diesem Aufzug in die Staatsoper gehen kann?

Dass Luxusmode immer lustiger wird, lässt sich übrigens auch an anderen Produkten dieses Segments erkennen. Der Lederhandschuh erlebt in dieser Saison ebenfalls seine jugendliche Auferstehung aus dem Farbeimer: für die Nobelmarke Rochas kombinierte Alessandro dell’Aqua knallgelbe Fingerhandschuhe mit barock bestickten Jacken und geblümten Taftröcken, bei Dior gab es schmale, ellenbogenlange Modelle in Hellblau, bei Veronique Branquinho in feurigem Orange zu sehen. Und bei Missoni ist gleich beides vertreten: die bunte Felljacke in Petrolgrün mit dazu passenden Ferrari-Handschuhen in funkelndem Gelb.

Von links nach rechts: Rochas, Christian Wijnants, Veronique Branquinho, Dior

Wenn luxuriöse Materialien wie Pelz und Leder immer schriller werden, dann muss das allerdings auch ein Symptom des immer schneller rotierenden Modekarussels sein, dessen Konsumenten allsaisonal Neues, noch Gewagteres fordern, weil sie sich an den neuen, gewagten Kleidern aus dem Vorjahr längst satt gesehen haben. Eine bunt gescheckte Felljacke kauft man sich schließlich nicht für die Ewigkeit, gell? Gedeckte Farben gelten als zeitlos, ein orangefarbener Pelzmuff dagegen eher als sperrig.

Aber hallo: wie toll ist denn ein orangefarbener Muff? Ich persönlich warte schon seit Jahren darauf, dass dieses komische Accessoire endlich wieder aufgefrischt und salonfähig gemacht wird. Und warum nicht den Begriff der Zeitlosigkeit generell mal neu definieren? Über die farbenfrohe Wintergarderobe kann man sich jedes Jahr, wenn man im Herbst wehmütig die Sommerkleider wegschließt, aufs Neue freuen. Ein bunte Pelzjacke kann man eine Saison lang tragen, dann entnervt in den Schrank sperren und nach zehn Jahren wieder hervorholen, wenn einem danach ist. Und dann lauter tolle Sachen darin unternehmen: campen gehen, den Mops streicheln, Pingpong spielen, den Kaktus wässern. Also all das tun, wofür sich ein gewöhnlicher Pelzmantel doch viel zu schade wäre.

Altuzarra Fall 2014
Céline Fall 2014
House of Holland Fall 2014
Marni Fall 2014
Missoni Fall 2014
Paul & Joe Fall 2014
Prada Fall 2014
Prada Fall 2014
Roksanda Ilincic Fall 2014
Roksanda Ilincic Fall 2014
Topshop Unique Fall 2014
Valentino Resort 2015
Preen Fall 2014
Gucci Fall 2014
3.1. Phillip Lim Fall 2014
3.1. Phillip Lim Fall 2014