Marilyn in Moschino

DAS NEW YORK MAGAZINE KLEIDET FILMIKONEN IN KLEIDER DER GEGENWART


Marilyn Monroe in Gentlemen Prefer Blondes, 1953. Kleid von Moschino, 2014

Marilyn Monroe sieht gut aus in Moschino, nicht wahr? Natürlich könnte man argumentieren, dass Marilyn Monroe wohl in allem gut aussieht, Gummistiefel wie Bademantel mögen der amerikanischen Vollblutblondine jedenfalls gleichfalls hervorragend stehen. Aber dieses gelbe Bonbonpapierkleid…ein Auftritt der besonderen Art. Man vergisst glatt, dass die Szene, in der wir Miss Monroe hier lasziv posieren sehen, aus dem 1953 gedrehten Film Gentlemen Prefer Blondes stammt – und das Kleid eine Kreation des Designers Jeremy Scott ist, entworfen für die Herbst-Winter-Kollektion 2014 von Moschino.

Für die aktuelle Ausgabe des New York Magazine hat der Fotograf Bobby Doherty eine ganze Reihe ikonischer Filmstars der vergangenen Jahrzehnte in Mode der Gegenwart gekleidet. Dustin Hoffman, als Tootsie verkleidet, trägt Prada, Jane Fonda als Astronautin Barbarella rattenscharfe Krokodilleder-Stiefel von Gucci. Bondgirl Ursula Andress wärmt sich in Dr. No nach dem Schwimmen in einem Pullover von Louis Vuitton by Nicolas Ghesquière, während Audrey Hepburn der alpinen Kälte in Charade mit einem farbenfrohen Cape von Valentino trotzt.

Mit akribischem Geschick hat Doherty aktuelle Mode per Photoshop in Filmszenen der 50er, 60er und 70er Jahre verpflanzt. Der Effekt dieser Arbeit ist beeindruckend: wer nicht gerade jeden der zitierten Filme in- und auswendig kennt, denkt auf den ersten Blick tatsächlich, es handele sich bei der transplantierten Kostümierung um die Original-Garderobe. Das Beispiel von Marilyn Monroe in Moschinos Bonbon-Kleid mag da noch am durchschaubarsten sein – aber wie steht es zum Beispiel mit Faye Dunaway in Bonnie and Clyde von 1967? Wer hätte sofort erkannt, dass es sich bei ihrem gemusterten Pullover nicht um das damals von Theodora van Runkle ausgewählte Originalkostüm handelt, sondern um eine brandaktuelle Kreation von Miu Miu?

Faye Dunaway in Bonnie and Clyde, 1967. Pullover von Miu Miu, 2014

Als angehende Kunsthistorikern werde ich ja ständig (auch in den Semesterferien!) dazu aufgefordert, ganz genau hinzuschauen. Was sehen wir? Und was lernen wir daraus? In diesem Fall gleich dreierlei – Lektion Nr. 1: der Ikonenstatus berühmter Filmstars besteht ganz offensichtlich darin, dass man ihnen alles möglich anziehen kann, ohne dass sie auch nur einen Hauch ihres ikonischen Charismas verlieren. Zeitlosigkeit ist der Schlüssel zur Unsterblichkeit. Kleider machen Leute, heißt es, aber eigentlich stimmt das gar nicht: denn Menschen wie Brigitte Bardot haben wir ihrer einzigartigen Ausstrahlung wegen so gut in Erinnerung behalten, nicht wegen ihres Haarbands.

Vom Laufsteg in die Filmkulisse: so entstand die Fotoserie von Bobby Doherty

Zweitens: so abwechslungsreich, wie die Mode immer tut, ist sie gar nicht. Tatsächlich hat sich seit der Antike wenig verändert, schaut man sich zum Beispiel Elizabeth Taylor als Cleopatra im gleichnamigen Film von 1963 an: das Stella-McCartney-Top steht ihr so gut, dass man ganz vergisst, dass es sich dabei nicht um einen Entwurf aus dem Jahre 69 v. Chr. handelt, sondern aus 2014. Was wiederum darauf schließen lässt, dass sich in der Modewelt seit der ägyptischen Antike offenkundig weit weniger getan hat, als man glauben will. Für sein Editorial hat Bobby Doherty übrigens überwiegend Filmszenen der 60er und 70er Jahre als Schauplatz verwendet, zwei Jahrzehnte, deren Stil von den Modeschöpfern der Gegenwart offenbar immer wieder gern zitiert und aufgewärmt wird.

Und die dritte Lektion? Ganz einfach: Amerikanische Gesellschaftsmagazine machen die besten Mode-Editorials. Bitte drei Scheiben davon abschneiden, liebe VOGUEs und Harper’s Bazaars.

Alle Bilder: Bobby Doherty für das New York Magazine
Ursula Andress in Dr. No, 1962. Ohrring und Pullover von Louis Vuitton, 2014
Bette Davis und Joan Crawford in What Ever Happened To Baby Jane?, 1962. Kleider von Erdem und Givenchy, 2014
Judy Garland in The Wizard of Oz, 1939. Stiefel von Saint Laurent, 2014
Catherien Deneuve in Belle De Jour, 1967. Mantel von Dries van Noten, 2014
Brigitte Bardot in Contempt, 1963. Haarband und Top von Chanel, 2014
Audrey Hepburn in Charade, 1963. Cape von Valentino, 2014
Dustin Hoffman in Tootsie, 1982. Kleid und Schal von Prada, 2014
Elizabeth Taylor in Cleopatra, 1963. Top von Stella McCartney, 2014
Gwyneth Paltrow in The Royal Tenenbaums, 2001. Mantel von Valentino, Tasche von Hermès, 2014
Kirsten Dunst in Marie Antoinette, 2006. Oberteil und Rock von Dior, 2014
Amy Adams in American Hustle, 2013. Anzug und Schmuck von Versace, 2014
Shirley Eaton in Goldfinger, 1964. Hose von Roberto Cavalli, 2014
The Graduate, 1967. High Heel von Brian Atwood, 2014
Grace Kelly in Rear Window, 1954. Oberteil und Rock von Tom Ford, 2014