Von Balenciaga inspiriert: das Ärmel-Bustier

UND JETZT BITTE LUFT ANHALTEN UND ARME EINZIEHEN

Wenn man in Berlin gepflegt ausgehen will, dann sollte man dafür sorgen, so heruntergekommen wie möglich auszusehen. Ich war noch nie im Berghain, aber allüberall wird ja berichtet, dass der-/diejenige mit den fettigsten Haaren und den schwärzesten Klamotten dort am ehesten die Tür passieren darf.In New York ist es genau anders herum. Die New Yorker bevorzugen es eher gestriegelt, und wer da nicht mitmachen will, der darf ohne Cocktail nach Hause gehen. Gestern war ich aus Versehen im Finale, das ist ein Club in der Bowery. Ins Finale kommt man nur rein, wenn man erstens einen sogenannten Promoter kennt, also einen Typen, der dafür bezahlt wird, dass er Blondinen und andere halbwegs attraktive Frauen in die Diskothek schleust. Das klingt wie Prostitution und ist es in meinen Augen auch, aber dazu an anderer Stelle mehr.

Zweitens ist ein betörendes Outfit essentiell, allein deshalb, weil man in Turnschuhen höchstwahrscheinlich gleich für ein underaged undergraduate student gehalten wird.

Natürlich hatte ich gestern Turnschuhe an.

Dass man mich trotzdem ins Finale ließ und mir sogar noch alle zehn Minuten free drinks anbot, muss meiner messerscharfen Kombination zufolge ergo an meinem neuen Oberteil gelegen haben. Das Bustiertop, das wir hier sehen, habe ich selbst nach Vorlage eines Modells von Balenciaga geschneidert. „Balenciaga!“, quietschte meine Freundin Sandra begeistert, als ich ihr neulich am Telefon berichtete, an welcher DIY-Kreation ich gerade nähte. „Das ist ja Architektur zum Anziehen!“

Recht hat sie. Die Konstruktion einer verlässlichen Statik ist bei der Fabrikation eines Bustieroberteils in der Tat nicht zu unterschätzen. Gestern im Finale hätte ich mir gelegentlich gewünscht, ein paar Streifen doppeltklebendes Klebeband im Handgepäck dabei zu haben, um den Stoff auf der Haut festkleben zu können. Dabei hatte ich das Bustier bei der Herstellung schon um die vierundzwanzigmal aufgetrennt, um den Brustumfang zu verringern. Offenbar nicht häufig genug! Wenn man ein Bustier anziehen will, dann sollte es so eng sein, dass man beim Ankleiden länger als zehn Minuten braucht, um den Reißverschluss zu schließen. Ist er dann endlich zu, kann man davon ausgehen, dass das Oberteil die nächsten 24 Stunden bombenfest am Körper haften bleiben wird.

Ich weiß nicht, wie lange die anderen Damen gestern im Finale wohl fürs Anziehen gebraucht haben, allein für das Schnüren der High Heels braucht man ja schon eine Ewigkeit. Dann das Überziehen dieser mörderischen Body-Con-Dresses – lästig. Da bleibe ich lieber bei meiner Kombination aus Turnschuhen und rutschendem Fake-Balenciaga-Top. Übrigens: die Ärmel, die dieses Modell so ausgefallen machen, kann man dran nähen, muss man aber nicht. Der Vorteil an den Ärmeln ist, das sie den ganzen Look dem Balenciaga-Original deutlich annähern. Der nicht zu unterschätzende Nachteil ist, dass diese Ärmel, so oft ich es auch probiert habe, jegliche Funktion der Oberarme außer Gefecht setzen. Man ist gefesselt. Ein Glas Cosmopolitan kann man gerade halten, aber nur in einiger Entfernung vom Mund. Auch Fahrradfahren darf man vergessen. Na egal. Ich bin ja nicht zum Radeln nach New York gekommen.

Alle Bilder: Sandra Semburg. Ich habe mit diesem Burda-Schnittmuster gearbeitet. Die komplette Anleitung gibt’s ab sofort hier.

Hose: COS, High Heels: Charlotte Olympia, Clutch: Katrin Langer