Ein Modeschöpfer wie Jeremy Scott ist mit Vorsicht zu genießen. Meistens weiß man beim Anblick seiner Kollektionen, die er seit zwei Saisons auch für Moschino entwirft, nämlich nicht, ob man lachen oder weinen soll. In der letzten Saison: Sponge Bob als Pullover – echt jetzt? Meint der das wirklich ernst?
Nun der modische SuperGAU für alle Normcore-Aktivisten: bei der jüngst aufgeführten Moschino-Show in Mailand lief doch tatsächlich Barbie über den Laufsteg. Minilederjäckchen in Kaugummirosa, Plastik-Kreolen, herzförmige Handtaschen, weiße Lederstiefel, reichlich verwegene Bikini-über-Money-Penny-Kostüm-Outfits, gigantische Blondhaar-Perücken und ausreichend Flüssig-Make-Up, um ganz Marzahn zu schminken – der PR-Gag war gelungen, Moschino wird wohl den Preis der am häufigsten instagrammierten Show der Saison gewinnen. Mehrere Stunden lang gab es im Feed der Foto-App nicht viel mehr als Barbiepuppen zu sehen, die die begeisterten Moderedakteurinnen als Goodie mit nach Hause nehmen durften. Jetzt die Preisfrage: was zum Henker will uns Jeremy Scott mit dieser Kollektion sagen? Ist das alles ein großer Scherz? Wird Barbie die Stilikone des nächsten Sommers?
Obwohl es in der Kollektion nicht wirklich viel Neues zu sehen gab, war die Idee doch überraschend: in Zeiten immer maskuliner werdender Damenmode pinkfarbene Minikleider und toupierte Haarmähnen zu präsentieren darf man ja fast schon als leichtsinnig bezeichnen. Die Leute sehnen sich nach mehr Bodenständigkeit in der Mode, Frauen wollen Karriere machen und dabei in souveränen Outfits als seriöse Verhandlungspartnerinnen ernst genommen werden – und da wagt es einer und bringt gelbe Frottee-Kleider auf den Laufsteg. Für das Schockpotenzial seiner Kollektion muss man Jeremy Scott wohl Tribut zollen. Aber ist Barbie wirklich die Lösung für all die stromlinienförmige Sportlichkeit, die der Modewelt derzeit so gern vorgeworfen wird? Brauchen wir in Zeiten, in denen es sowieso viel zu viel Mode auf der Welt gibt, auch noch einen Designer, der einfach aus Jux und Dollerei die völlig unzeitgemäße Barbiepuppe als „neue“ Stilikone wieder ausgräbt?
Nein. Brauchen wir nicht. Das Wort Geschmacklosigkeit mag heute, wo bekanntlich selbst Großmutters Blumentapete zum Modetrend werden kann, zwar als überholt gelten. Das allerdings ändert nichts an der Tatsache, dass Jeremy Scotts Barbie-Kollektion trotz allem Schabernack vor allem schauderhaft aussieht. Einen nachhaltigen Zweck hatte seine pinkfarbene Show jedoch: ich weiß jetzt, als was ich mich an Halloween verkleide. Und in welcher Farbe ich im nächsten Sommer definitiv nicht herumlaufen will. Jeremy Scott hat mir den Appetit auf Pink jedenfalls gründlich verdorben.
Gegen die Moschino-Show ist die Kollektion von Gucci dann wahrer Balsam für die Augen – und auf ihre Art auch überraschend. Für gewöhnlich kann ich mit dem gestriegelten Bonzen-Look des Labels nämlich nicht wirklich viel anfangen. In dieser Saison gesellt sich zur römischen Diven-Eleganz allerdings ein erfrischender Western-Akzent: Blusen und Lederkleider werden am Dekolleté mit breiten Bändern kreuzgeschnürt, dazu gibt es lässig geschnittene braune Velourslederhosen mit doppelten Goldknopfleisten, Seepflanzen-Prints in warmen Rot-und Ockertönen auf Seidenhemden, Lederkleider mit transparenten Einsätzen von Häkelspitze, rustikale Kurzjacken mit aufgesetzten Brusttaschen und Ledersandaletten mit breiter Kroko-Schlinge am Knöchel. Klassiker wie Flechtgürtel und Halstuch erleben ihr verdientes Comeback. Frida Giannini stellt mit dieser Kollektion keine bahnbrechenden Innovationen vor – aber ihre Kleider sind schmeichelhaft und leger zugleich, sie lassen Frauen wirklich gut aussehen. Was wäre so falsch daran?
Wie gut man im nächsten Sommer mit den neuen Entwürfen von Prada beraten sein wird, bleibt hingegen fraglich. Chefdesignerin Miuccia ist für ihre Abneigung gegenüber klassischer Schönheit bekannt: „Beauty is an impossibility“, wird sie auf style.com zitiert. Da es genug Hässliches auf dieser Welt gibt, sind Miuccias Inspirationsquellen entsprechend unerschöpflich: in diesem Jahr ließ sie sich von dreißig verschiedenen Sorten geblümtem Brokatmaterial inspirieren, die sie mit losen Säumen und diagonalen Nähten zu Mänteln und hochgeschlossenen Etuikleidern neu zusammenflickte. Schwerer Leinenstoff wirkt bäuerlich, schimmerndes Blüten-Brokat und kaffeebraune Lederkostüme erinnern dagegen an die Polstergarnitur eines indischen Mittelklasse-Restaurants. Gelbe Strickpullunder über dunklen Streublumen-Blusen, braune Trenchcoats mit aufgesetzten Nähten – Pradas Kollektion ist allemal innovativ, auf interessante Weise abscheulich und dank der üblichen Kontroversität hochgradig aufregend. Vielleicht ist Miuccia Prada auch die einzige Designerin, der es gelingt, aus lauter altbackenen Materialien und Silhouetten etwas gänzlich Neues und absolut Gewöhnungsbedürftiges zu kreieren.
Bei Fendi setzt das Begehren bekanntlich früher ein als bei Prada. Karl Lagerfeld bringt beim altrömischen Modehaus allsaisonal absolut zukunftstaugliche Kleider auf den Laufsteg – hier wird nicht in den Archiven gegraben. Weil es sonst kaum einer macht, scheint sich Lagerfeld besonders dazu verpflichtet zu fühlen, die Mode weiter zu entwickeln. Das tut er in dieser Saison mit abstrakten Feder- und Orchideenprints auf raspelkurzen Minikleidern, teils mit schwungvoll drapierten Ärmeln ausgestattet. Hellgraues Leder wird an Jacken und Hemden in feine Streifen geschlitzt, an trägerlosen Minikleidern zu delikaten Blüten gelasert oder an knöchellangen Röcken mit transparentem Netz-Chiffon gemixt. Im Kontrast zu den mädchenhaften, betörenden Looks stehen luftige Jodhpur-Hosen mit Farbverlauf, kurze Jeansjacken über Jeanshemden zu Jeans-Jogginhosen und eine jungenhafte Farbpalette von Steingrau über Kornblumenblau bis Schokoladenbraun. Einziger Fehlgriff: die Federkleider zum Ende der Show. Papageno ist nun wirklich kein Charakter der Gegenwart. Und in Federn sehen alle Frauen irgendwie hilflos aus.
Das wiederum kann einem in einem Kleid von Marni nicht passieren. Zum 20. Jubiläum präsentiert das für eklektische Drucke und voluminöse Silhouetten bekannte Modehaus eine Kollektion von futuristischer Üppigkeit. Alles beginnt harmlos mit beigefarbenen, Kimono-ähnlich geschnittenen Zippkleidern und asymmetrischen Volantops, breiten Judo-Gürteln und Sweatshirts mit transparenten Ärmel-Partien.
Dann explodiert der Farbtopf: abstrakte Blütenmalerei wuchert über mehrfach geschichteten Midiröcken, leuchtende Blumenwiesen aus unzähligen Lagen Chiffon konstrastieren ein Bustierkleid aus Leinenpatchwork, weiße Volants quellen aus vertikalen und horizontalen Nähten, an Hüftpartien und aus Rocksäumen hervor, applizierte Spiegelpailletten funkeln mit aufgestickten Kristallblumenbeeten um die Wette, asiatische Pflanzen in Korallrot und Maigrün leuchten auf silbermetallischem Untergrund, Taillen-Gürtel werden mit überdimensionalen Blätterschnallen geschlossen.
Consuelo Castiglioni bezieht sich auf die wahrscheinlich beste Inspiration von allen – die Natur – und übersetzt deren Pracht in paradiesisch schöne Farbkombinationen und komplexe Silhouetten. Ein stärkeres Statement gegen Barbies billige Künstlichkeit hätte sich in ganz Italien kaum finden lassen können.