Fabelhaft funktionell

EIN LOOK FÜR DIE TÄGLICHE DOSIS PRAKTISCHER ALLTAGSEXZENTRIK

An manchen Tagen steht man morgens auf und wäre gern ein Känguru. Nur für einen Tag. Schon mal erlebt? Also, mir passiert das ständig. Manchmal wäre ich auch gern eine Fledermaus, oder ein Frosch, oder ein Schnabeltier, jedenfalls irgendwas Exotisches, weil die Welt doch manchmal ganz schön eintönig sein kann, wenn man pausenlos ein Mensch sein soll. Sogar in New York gibt es gelegentlich mal Phasen, in denen ein Tag dem anderen zu gleichen scheint. Ich persönlich habe eine schreckliche Angst vor Routine. Manchmal wache ich morgens auf und denke entsetzt: nicht schon wieder Zähneputzen. Das hatten wir doch gestern schon! Kann ich nicht einmal morgens unter einem Gummibaum aufwachen, an dem drei Faultiere im Takt zum Gesang sieben trällernder Schimpansen schwingen, während mir ein schöner Eingeborener im Lendenschurz eine frischgeköpfte Kokosnuss mit Strohhalm serviert?  An solchen Tagen, an denen einem das alltägliche Dasein als Mensch doch ziemlich gleichförmig vorkommt, ist die Zeit reif für ein bizarres Outfit.

Ich versuche das ja immer wieder  verzweifelt all jenen Mitbürgern zu erklären, die unter Kleidung reine Funktion verstehen: schon mal darüber nachgedacht, welch herrliche Transformationen man dank Mode durchlaufen kann? Wie verwandelt man sich mit einem schönen Hut, oder in einem Fransenkleid, oder mit einem mafiösen Paar Al-Pacino-Loafer an den Füßen plötzlich fühlen kann?  „Why not turn every day into a game show?“, findet zum Beispiel auch Man Repeller’s Leandra Medine, und ich kann ihr da nur zustimmen. Weil Mode ein bestimmtes Lebensgefühl vermittelt, kann man sich auf der Stelle so verwegen wie ein sizilianischer Mafiaboss, oder so abenteuerlustig wie Pocahontas, oder so betörend wie ein Bondgirl fühlen, wenn man nur gerade das entsprechende Outfit anhat.

Trotzdem eignet sich natürlich nicht jeder gewöhnliche Mittwoch oder Freitag für einen gefiederten Game Show Look. An solchen Tagen, an denen ich mit der U-Bahn fahren, diverse Treppen rauf und runter rennen, schwere Rucksäcke mit Büchern und Computer schleppen, im Supermarkt einkaufen und zwischendurch noch im Waschsalon vorbeischauen soll, bin ich mit meinen High Heels von Charlotte Olympia zum Beispiel nicht wirklich gut beraten. Ich verehre diese funkelnden Schuhe, tatsächlich anziehen tue ich sie allerdings allzu selten. Dabei könnten  sie der täglichen Routine doch im Handumdrehen eine feine Prise pikanter Würze verleihen! Für die alltagsverträgliche Dosis Exzentrik brauchen wir fabelhafte Kleider auf funktioneller Basis – und da kommt ein Outfit wie oben abgebildetes Karo-Tapeten-Ensemble von Wood Wood gerade richtig gelegen.

Das liegt natürlich auch und vor allem an seiner Grundtönung: Gelb ist eine von jenen Erscheinungen, die sich im internationalen Wirbelwind der Modetrends und Tendenzen nie so richtig durchsetzen konnten – ähnlich wie die Farbe Rot, der Poncho, oder Kniestrümpfe. Die meisten Leute meiden Gelb wie Rot, weil ihnen beides zu schreiend und offensiv vorkommt. „Guck mal, hier bin ich!!!“, dröhnt die Farbe Gelb wie ein hupendes New Yorker Taxi auf Kundensuche. Genau deshalb ist Gelb aber gerade die richtige Lösung für Leute auf der Suche nach praktischer Anti-Konvention.

Der karierte Wood-Wood-Look sorgt zudem auch dank verblüffender Ähnlichkeit mit Cher Horowitz’ Signature-Outfit aus „Clueless“ ganz automatisch für heitere Stimmung. Wie im Bild unten zu sehen, kann man in diesem Look hervorragend Sprints zur Subway einlegen, dazu einen praktischen Rucksack transportieren und bequeme Adidas-Sneaker kombinieren. Weiterhin ist der Zweiteiler allein deshalb eine unschlagbar komfortable Lösung, weil er sich morgens in Nullkommanix und ohne jegliche Gehirnarbeit überwerfen lässt – ein entscheidender Vorteil von Kleidersets, auf die ich bereits hier eine ausschweifende Lobeshymne gesungen habe.

Zu guter Letzt sei noch das New York Magazine zitiert, das meinen gelb-karierten Aufzug kürzlich folgendermaßen kommentierte: „Between the head-to-toe print, the high-waisted pants, and the white sneakers, she totally stole her style from your grandpa in Florida who spends his days power walking and playing golf.“ Damit bin ich absolut einverstanden. Wenn ich mich schon nicht in ein Känguru verwandeln kann, dann zumindest in einen golfspielenden Senior. So viel zum Thema Mode als Lebensgefühl.

Headerbild: via New York Magazine. Bild untenSandra Semburg