Verführen, schwer gemacht

WAS MAN ZUM RENDEZVOUS WIRKLICH ANZIEHEN SOLLTE

Bildschirmfoto 2016-02-13 um 1.58.28 PMMeine Damen, wie die Zeit vergeht! Eben war noch Weihnachten, jetzt schon Valentinstag. Die stressgeplagten Moderedaktionen der Hochglanzblätter kommen mit ihren Einkaufsempfehlungen für besondere Gelegenheiten kaum noch hinterher. Seit den Heiligen Drei Königen wurde mit aller Kraft auf den 14. Februar hingearbeitet – mit „7 Geschenkideen, die unsere Herzen wirklich höher schlagen lassen“ (Journelles), „Ideen, die verzaubern“ (Bunte.de), „Looks to love: Outfits für den Valentinstag“ (InStyle), oder „14 Ideen from me to you“ (This is Jane Wayne). Am 13. Februar erhielt ich aus der Presseabteilung eines bekannten deutschen Lingerie-Unternehmens die dringende Botschaft, jetzt sei es Zeit, sich auf den „heißesten Tag des Jahres“ vorzubereiten, und zwar entweder „nice or naughty“.

Toll, diese Wort-und-Zahl-Spielereien. Wir hier bei C’est Clairette wurden vom unaufhaltsamen Heranrauschen des Valentinstags natürlich mal wieder völlig überrumpelt und haben daher zum Festtag des Unterwäschekaufens keinen quadratisch-praktischen Guide vorbereitet. Alternativ hätte ich einen Fünf-Punkte-Survival-Plan für Freitag den 13. anbieten können, aber sowas sucht bei Google wahrscheinlich auch keiner.

Trotzdem wird im Clairette-Büro natürlich niemals tatenlos herumgesessen. Einem permanenten Selbstoptimierungswahn unterlegen, versuchen wir, das Ausbleiben einer detaillierten Langzeitvorbereitung auf den Valentinstag mit zeitloseren und unkonventionelleren Mitteln als verzweifeltem Last-Minute-Shopping in Karstadts Unterwäscheabteilung zu kompensieren. Jetzt, wo der Valentinstag vorbei ist und in den Redaktionen auf Hochtouren an Artikeln wie „Die 5 schärfsten Looks für den Aschermittwoch“ getextet wird, schauen wir lieber auf die großen Themen des Lebens – und zu denen zählen weder die reizvollste Reizwäsche für den Valentinstag noch 33 gelbe Präsente für’s Osterfest. Sondern: das perfekte Rendezvous-Outfit.

Wir alle wissen: das richtige Höschen zu finden ist nicht schwer, die große Liebe dagegen schon. Trotzdem gibt es zwar allsaisonal pünktlich zum 14. Februar drei Millionen Valentinstags-Guides, an den restlichen 364 Tagen des Jahres aber so gut wie Null adäquate Stilberatungsbeiträge für das Treffen mit potenziellen Partnerschaftskandidaten.

Dabei ist die Angelegenheit gar nicht so banal, wie sie klingen mag. Natalie Joos, New Yorker Casting-Agentin und Bloggerin, hat das Problem vor einer Weile mal in einem Artikel in der britischen Vogue erörtert. „You should have worn a short, tight dress“ zitierte sie aus dem Treffen mit einem 49-jährigen Juristen, der sich über ihr modisches, aber unerotisches Outfit beschwert hatte. Die meisten Frauen wollen gerade beim ersten Date kein Risiko eingehen, den Mann nicht mit komplizierten Kleidern, sondern einfachen Textilien in Schwarz, Körperbetont und Ausgeschnitten verführen. Natalie Joos schreibt, Frauen mit solcher Einstellung seien „helpless and desperate to please“.

Auf der anderen Seite stehen die modebewussten Mädchen, die lieber bei Marques‘ Almeida als bei Versace einkaufen, beim Ankleiden für’s Rendezvous vor einem Identitätsproblem. Denn natürlich wollen auch sie gefallen, bloß entsprechen schwarze Minikleider eben nicht ihrer Persönlichkeit. „Most of the thought goes into whether the outfit is inspiring, unique and, well, Me“, schreibt Natalie Joos. „So when a date comes around I am left helpless. Everything and anything 
I put on is either too sexy or too fashionable. It takes me twice as long to get ready.“ 

Kann man in einem gefransten Jeans-Oberteil einen Mann verführen?Men don’t like complicated outfits“, weiß Natalie. „They want simple, easy-access attire: some leg, a waist, 
a skirt, bare arms, perhaps a shoulder.“ Nicht mal Ober-Manrepeller Leandra Medine hat ihren Partner in Latzhose kennen gelernt. Wie in ihrem Buch „Seeking Love, Finding Overalls“ nachzulesen ist, sprach er sie das erste Mal auf einer Halloweenparty an, zu der sie in einem ziemlich kurzen Stewardess-Outfit erschien. Wer weiß, ob Frau Manrepeller heute schon verheiratet wäre, wenn sie ihrem Prinzen beim ersten Treffen im Piratenkostüm begegnet wäre? Die Macht der Kleidung ist beim ersten Rendezvous keinesfalls zu unterschätzen.

In der zwölften Klasse ging ich mal für eine Weile mit einem Jungen aus, für den ich immer schwarze Jeans und eine schwarze Seidenbluse anzog; einfach deshalb, weil ich Angst hatte, ihn mit meinen asymmetrischen Sackkleidern, taillenhohen Levi’s 501 und weiten Herrenhemden auf Nimmerwiedersehen zu vergraulen. Dieser Junge hat mich nicht gut behandelt, und das, obwohl ich es ihm doch so leicht gemacht hatte. Aber genau da lag der Fehler.

Wer eine enge schwarze Hose anzieht, um einem Mann zu gefallen, ist auf direktem Weg ins Verderben. Das kann nichts werden. Nur wer von Anfang an zu seinen geblümten Brogues von Simone Rocha und den dämlichen „Phwhoar!!!“-Stickern auf seiner Handtasche steht, betreibt effizientes Dating: weil sich so gleich die Spreu vom Weizen, also der Idiot von der großen Liebe unterscheiden lässt.

Ich habe gerade jemanden kennen gelernt, mit dem könnte es was werden. Am Tag unserer ersten Begegnung trug ich folgendes Outfit:

Und er fragte, ob wir nicht essen gehen wollten. Bin ich doof oder ist das ein gutes Zeichen?

Dass eine Frau im schwarzen Minikleid scharf ist, erkennt jeder Dorftrottel. Aber auf eine Frau in dunkelblauer Baggyhose mit Pyjama-Oberteil und Neunziger-Turnschuhen aufmerksam zu werden gelingt nicht jedem Mann. Gerade deshalb sind Pluderhosen, alberne Hüte, exzentrische Häkeltops, Bananensandalen und bemalte Mutti-Jeans beim Rendezvous unbedingt zu begrüßen.  Natalie Joos schreibt, sie habe sich für Dates eine zweite Persönlichkeit zugelegt: „I’ve created a new Natalie for these occasions. One that wears flirty Cavalli dresses with skinny Casadei heels and lets her tangled hair loose.“ Was ist das für ein Blödsinn? Schizophrenie ist nicht verführerisch. Und er soll doch wissen, was er kriegt. Tatsächlich ist gerade das erste Rendezvous wunderbares Testgebiet. Hier lässt sich austarieren, wie viel ich ihm wirklich wert bin. Es geht nicht um meine Garderobe, es geht darum, dass ich ihm gefalle, wie ich bin. Bitte sehr: ich bin die Frau in Pluderhosen. Entweder das passt Dir, oder unsere Wege trennen sich.

Die besten Dating-Outfits entwerfen übrigens J.W.Anderson, Simone Rocha und Marques‘ Almeida. Wenn der Mann diese Marken übersteht, muss es Liebe sein. 
Clairettes Rendezvous-Einkaufsempfehlungen:
Bildschirmfoto 2016-02-13 um 2.14.04 PM
„Phwoar!!!“-Handtaschen-Sticker von Anya Hindmarch, Mütze mit Netzschleier von Federica Moretti, rote Handtasche von Anya Hindmarch, Jeans mit Hosenträgern von Sea, Ohrringe von Prada, karierte Bluse von Miu Miu, Sneaker von Golden GooseBildschirmfoto 2016-02-13 um 2.13.23 PM
Jeans-Overall von A.P.C., bedruckte Hose von Acne, weiße Rüschenbluse von Ronald van der Kemp, Löwen-Handtäschchen von Charlotte Olympia, Sneaker von Marni, Lederstiefel mit Rüschen von J.W.Anderson.Bildschirmfoto 2016-02-13 um 2.18.23 PM
Buntes One-Shoulder-Top von MSGM, gestreifter Trench-Coat von Acne, Batik-Hose mit Rüschen von Rosie Assoulin, Jeans von MM6 by Maison Margiela, Cowboy-Stiefel von Miu Miu.