Meine erste Handtasche hatte die Form eines Wurstkissens, war aus weinrotem Cord gefertigt und an den Kanten mit einer grün-weiß gescheckten Fellborte gesäumt. Sie sah mehr nach einem Plüschtier als nach praktischem Gepäck aus, aber ich war sechs Jahre alt und besaß endlich eine Handtasche und das war ein wirklich gutes Gefühl. Ich hatte kein Handy, ich hatte kein Portemonnaie – nur einen 5-Mark-Schein, den ich zur Vermehrung meines Vermögens durchgeschnitten hatte – ich hatte auch keinen eigenen Haustürschlüssel oder derlei Zeug, was erwachsene Frauen in ihren Handtaschen so mit sich herumschleppen. Aber weil in meine Handtasche keiner reingucken konnte, wusste auch niemand, dass ich darin nichts außer ein paar geklauter Bonbons transportierte. Die Handtasche der Frau ist ein Mysterium. Sie führt ein unabhängiges, geheimnisvolles Eigenleben.
Bedauerlich ist, dass die Handtasche trotz dieser besonderen Aura ständig als reiner Gebrauchsgegenstand missverstanden wird. Natürlich hat eine Handtasche praktisch zu sein, schließlich wurde sie erfunden, um der Frau den Transport ihres Krempels zu erleichtern. Aber eine Handtasche ist eben kein Rucksack, sondern ein tragbares Universum, ein pulsierender Organismus für sich. Warum wählen trotzdem so viele Frauen am liebsten schwarze Handtaschen? Warum wird ein so interessantes Objekt stets in so toter Farbe getragen? Zumindest hier in Berlin ist die Vorliebe für farblose Beutel unübersehbar. Es heißt, eine schwarze Handtasche gehöre in jeden Kleiderschrank, aber Moment, warum eigentlich? Man sagt das so daher, die schwarze Handtasche ist einfach ein selbstverständlicher Klassiker, dabei ist sie doch eine ziemlich finstere Begleiterin, eigentlich nicht viel mehr als ein tragbares schwarzes Loch, in dem man nie etwas findet. „Passt zu allem“, lautet das viel zitierte Kaufargument für die schwarze Handtasche, weil sich Schwarz angeblich mit nichts beißt. Nach gleicher Logik wird die farbenfrohe Handtasche gemeinhin abgelehnt: „Passt zu nix.“

Ich frage mich bloß, warum immer nur das, was neutral ist und deshalb ja automatisch mit allem harmoniert, als in jeden Kleiderschrank zu gehörender Klassiker deklariert wird, während alles Bunte, Extravagante und Auffällige als eigentlich überflüssiger Luxus gilt, den man sich nur dann leistet, wenn man nach allen praktischen Pflichteinkäufen noch Geld für etwas Verspieltes übrig hat. Hinzu kommt im Falle der Handtasche, dass es sich bei diesem Utensil um ein Objekt für Erwachsene handelt und deshalb auch so aussehen soll, nämlich seriös. Meine New Yorker Freundin Sophie kaufte sich mal eine rote Handtasche in eleganter Envelope-Form. „Die wird super zu Deinem Nadelstreifenkostüm aussehen“, sagte ich, aber Sophie lachte nur bitter. „Ich kann doch mit einer roten Handtasche nicht ins Büro gehen!“ Warum eigentlich nicht?

Gerade weil wir im Alltag meist sowieso nur neutrale Kleidung, nämlich schwarze Hosen, Jeans, weiße T-Shirts, gestreifte Blusen und einfarbige Pullover tragen, ist eine farbenfrohe Handtasche die im Grunde viel passendere Begleiterin. An dieser Stelle kommt Paula Cadematori ins Spiel. Die italienische Designerin mit brasilianischen Wurzeln entwirft seit 2010 Handtaschen mit Charakter, oder auch Paradiesvögel mit Henkeln: in grafischen Mustern und Bonbonfarben, mit kleinen Fransenbordüren, Punkten und Kringeln, Sternen und Streifen, Zacken und aufwendigen Flechtmustern. Hinzu kommt bei allen Modellen eine kantig-dekorative Schnalle, Frau Cadematori kommt nämlich ursprünglich aus dem Fach Industriedesign. Die Schnallen sind zum Markenzeichen des Labels geworden.

Besonders ist aber vor allem, dass sich bei diesen Taschen Extravaganz und Praktikabilität keinesfalls ausschließen, sondern geradezu ergänzen. Kleine Clutches für den Ausgang am Abend leuchten schon lange in allen Farben des Regenbogens, das ist keine Neuigkeit. Dass eine Handtasche aber geräumig, robust und originell zugleich ist, darf als Innovation gefeiert werden. Farbe kann schließlich auch praktisch sein: Wenn man mit einem von Paula Cadematoris bunten Täschchen unterwegs ist, reichen dazu Jeans und T-Shirt. Das Handgepäck sorgt allein für die nötige Dosis Exzentrik – und sieht damit gerade so aus, als beherberge es lauter aufregende Inhalte. Oder Bonbons.
Die Handtaschen von Paula Cadematori gibt es zum Beispiel bei Monnier Frères zu kaufen.