Mode ist die beste Diät

GEWUSST WIE!

Letzte Woche hat eine Schule in Baden-Württemberg ein offizielles Verbot von Hotpants verhängt. Das neue Gesetz, verabschiedet per Elternbrief, sieht vor, künftig alle Mädchen in kurzen Hosen zum Tragen eines überdimensionierten T-Shirts zu verdonnern. Die FAZ berichtete. Natürlich stand die Autorin auf Seiten der armen Schülerinnen, die jetzt fortan nicht mehr in Unterhosen aus Denim herumlaufen dürfen, was zu bedauern ist, schließlich weiß ein jedes Kind:“Hotpants mögen nicht besonders elegant sein, doch in der Hitze tragen sie sich angenehm.“ So stand es unter dem Foto über dem Artikel. Darauf zu sehen war eine weibliche Person mit kurvigen Hüften und Beinen, die gerade so bis zum unteren Schambereich mit Stoff bedeckt waren. Ich würde diese Frau gerne fragen: Tragen sie sich wirklich so angenehm, diese Hotpants? Ich habe vergessen, wie man sich in Hotpants fühlt. Mein letztes Pobackengate ist schon eine Weile her.

Der Sommer ist eine schöne Jahreszeit, aus ästhetischer Sicht allerdings alles andere als sorgenfrei. Das amerikanische Onlinemagazin Refinery29 hat in einer Umfrage herausgefunden, dass sich 80 Prozent der 1000 befragten Frauen ihres Körpers wegen vor der Strandsaison fürchten. Von der gesunden Gesichtsfarbe und den blonden Strähnen einmal abgesehen, ist der Sommer irgendwie nicht dazu gemacht, sich selbst besonders schön zu finden. Irgendwas fühlt sich immer gerade falsch an: Die Nase glänzt, unter den Achseln tropft es, die Arme sehen irgendwie aufgedunsen aus, die Haare werden fisselig, auf den Oberschenkeln wachsen Pickel. Dann kommt auch noch eine Frau vorbei, die so aussieht:

Und schon ist es vorbei mit dem mühsam erarbeiteten weiblichen Selbstbewusstsein. Nichts macht uns die eigene Körperlichkeit mitsamt all ihrer Entblößungen und Ausdünstungen so deutlich bewusst wie die Sommerhitze. Selbst wenn die anderen nichts davon mitbekommen und mir gerne bescheinigen, wie gut ich gerade aussehe, werde ich dieses Gefühl leider nur schwerlich los.

Man kann dem Problem auf verschiedene Arten begegnen. Erstens: indem man es ignoriert. Wer mit schwabbeligen Oberschenkeln in kurze Hosen steigt, mit wurstigen Oberarmen in Spaghettitops schlüpft und sich dabei immer noch pudelwohl fühlt, der verdient meine größte Bewunderung. Richtig gut aussehen tut man damit zwar vielleicht nicht mehr. Aber wem die eigene Erscheinung wirklich so egal ist, der soll sich an seinem beneidenswerten Seelenfrieden erfreuen und darf ab jetzt aufhören zu lesen. Fakt ist allerdings: den meisten Leuten, Frauen wie Männern, ist sie nicht egal.

Was wäre also die zweite Option? Diät zu halten. So jedenfalls lautet die einstimmige Empfehlung der Frauenmagazine, die seit März detaillierte Anleitungen und Ernährungstipps für den perfekten Beach Body liefern. Ihr Einfluss ist nicht zu unterschätzen. Erst neulich hörte ich in der Bademodenabteilung eine Verkäuferin eine Kundin fragen: „Suchen Sie was Bestimmtes?“ worauf die antwortete: „Ich schaue nur. Bevor ich mir was kaufe, muss ich erstmal abnehmen.“

Tatsächlich ist diese Alternative unbedingt zu vernachlässigen. Diäten machen schlechte Laune, sie bringen nichts, außerdem haben Frauen heutzutage Besseres zu tun, als sich darüber Gedanken zu machen, ob sie dieses verdammte Erdbeertörtchen jetzt essen dürfen oder nicht. Am liebsten würden sie sich gar keine Gedanken mehr über irgendwas machen, das mit ihrer Figur oder ihrem Aussehen zusammenhängt. Sie würden gerne damit aufhören, zweifelnd in jeden sich anbietenden Spiegel zu spähen, um zu überprüfen, ob die viel zu engen Shorts und die viel zu dünnen Träger noch an Ort und Stelle sind, während sie den Bauch einziehen und sich über dieses dumme kleine Wämpchen ärgern, das partout nicht verschwinden will.

An dieser Stelle kommt, als dritte und einzig richtige Option, die Mode ins Spiel.

Mode ist nämlich die beste Diät, die man machen kann. Man muss nur wissen, wie. Mode kann ein doppelter Cheeseburger sein, wenn man sich mit kräftigen Schenkeln in Hotpants zwängt. Und sie wird zum leichten Melonensüppchen, wenn man mit gleicher Statur in luftige Bermudas oder einen fließenden Midi-Rock steigt. Nobody’s perfect, nicht mal die schönsten Stilikonen auf den Straßen von Paris. Sie wissen bloß, wie man mithilfe der richtigen Kleidung seine Schwächen verschwinden lässt und die Stärken hervorhebt. Diese Frau hier zum Beispiel sieht todschick und bleistiftschlank aus:

Aber wer weiß, ob sie unter dem weit geschnittenen Kleid nicht auch ein kleines Bäuchlein versteckt? Keiner weiß es. Das ist Stil. Dafür braucht man keine Diät und keinen Hometrainer.

Ein Verbot gegen kurze Hosen, wie es die Schülerinnen in Baden-Württemberg nun trifft, ist tatsächlich ausgemachter Schwachsinn. Teenager leiden mehr unter ihrem Körper als alle Frauen der Welt zusammen. Man sollte ihnen helfen, anstatt sie mit XL-T-Shirts zu sanktionieren. Hier kommt Clairette ins Spiel. Mit der Zeit habe ich nämlich herausgefunden, dass die Mode für so gut wie jede körperliche Eigenart das richtige Rezept kennt. Klar, ich bin auch kein Stilguru und mache selbst immer noch tausend Fehler. Aber ich werde besser. In diesem Sommer habe ich zum Beispiel endlich verstanden, dass Pantoletten mit kleinem Plateau viel besser zu meinen kräftigen Leichtathletinnen-Beinen passen als flachen Riemchensandalen, die jede Wade sofort so plump aussehen lassen wie eine reife Aubergine. Außerdem habe ich mir zum Wohle meiner starken Oberschenkel ein Paar luftiger Bermudas aus Seide zugelegt, rot mit weißen Herzen drauf. Jeans-Hotpants trage ich schon eine ganze Weile nicht mehr. Sie fehlen mir nicht.

Den baden-württembergischen Mädchen soll es ebenso gehen – und allen Frauen auf der Welt, denen die Sommerhitze seit Jahren handfeste Garderobenkrisen beschert. Dafür habe ich mich bei den Schlaumeiern der Branche informiert und nach ihren Vorbildern den großen Stilikonen-Modediätratgeber zusammengestellt. Und hier ist er schon. Wer will ein Eis?

Für stramme Waden: Pantoletten mit PlateauFür starke Oberschenkel: Midiröcke und Bermudas
Für starke Oberarme: Herrenhemden, Keulenärmel

Für Kurven: A-Linien-Röcke, Pencil Skirts, taillierte Kleider

Für Wämpchen: Luftige Tops

Streetstylebilder von Sandra Semburg; Tommy Ton; The Sartorialist