Wir erinnern uns an die berühmte Poncho-Szene in „Der Teufel trägt Prada“. Mauerblümchen Andy betritt erstmals den Kleiderschrank der Runway-Redaktion. Nigel, rechte Hand der bissigen Chefredakteurin, soll ihrem faden Aussehen einen neuen Anstrich verpassen. Fraglich ist, ob Andy mit ihrer modewelt-untauglichen Kleidergröße 38 in die Sample Size passt. Deshalb gibt’s erstmal einen Poncho.
„Ein Poncho?!“ Ja, liebe Andy, das hätten wir an deiner Stelle wahrscheinlich auch gefragt. Ein wollener Überwurf ist schließlich nicht gerade das, was sich Unkundige unter glamouröser High Fashion vorstellen. Aber wer nicht hören will, muss fühlen – und sollte einen Poncho erstmal anziehen, bevor er sich beschwert.
Der Poncho ist das unterschätzte Prachtstück des Kleiderschranks. Er ist ausgefallen wie ein Zauberumhang (Poncho trägt nämlich nicht jeder), verleiht Stärke wie ein Superman-Cape (man kann sich darin sehr flexibel bewegen, zum Beispiel Schatten boxen, Trampolin springen oder so schnell herumrennen, dass der Poncho buchstäblich Flügel verleiht) und ist kuschelig wie eine Daunendecke. Ich habe ihn deshalb ein „Bett zum Stehen“ getauft, ein Begriff, den mein Kumpel Jojo letzten Winter in New York einführte, als wir schlotternd vor Kälte am Broadway standen und uns sehnlichst eine mobile Bettdecke zum darin Einwickeln und Herumlaufen herbeiwünschten. Das Problem hätte einfach und elegant mit der Anschaffung eines Ponchos gelöst werden können.
Warum nur gefiel Runway-Andy der Outfitvorschlag Poncho nicht? Als echtes Greenhorn in Sachen Stil konnte sie nicht wissen, dass wohldosierte Formlosigkeit die Königsdisziplin der Modewelt ist. Einen gut sitzenden Mantel kann jeder tragen. Man sieht darin hübsch und angezogen aus, aber nicht besonders lässig. Der Poncho hingegen wird nur schnell übergeworfen, er hat keine Ärmel zum Hineinschlüpfen und keine Knopfleiste zum Zuknöpfen. Der Poncho steht für stilvolle Spontaneität, und die gefällt der Modewelt.
Weil der Poncho so spontan ist, lässt er so gut wie alles mit sich anstellen. Eine überholte Stilregel der Modewelt besagt zwar, Weites dürfe nicht mit Weitem kombiniert werden – aber wer hält sich heute noch an solchen Blödsinn? Wenn es obenrum schon gemütlich anfängt, darf es untenrum und untendrunter gern gemütlich weitergehen. Wie wir anhand des herrlichen Kaschmirmodells mit Mondrian-Druck von Iris von Arnim sehen, verträgt sich der Poncho ganz ausgezeichnet mit zeltweiten Hosenbeinen und Wollpullovern. Ich weiß das, denn ich habe es ausprobiert. Hier sehen wir das Bett zum Stehen in fünf Variationen:
- Wärmend überm Baumwollhemd…
2. …dramatisch überm Kleid drapiert…
3. …ironisch zum bedruckten Sweatshirt…
4. … harmonisch zu vielfraßfreundlichen Palazzohosen…
5. …und piekfein zur gestreiften Satin-Culotte.
So. Wer hat jetzt noch was gegen den Poncho? WER?
Look #1: Poncho von Iris von Arnim, Baumwollhemd von Dries van Noten, Jeans von J Brand X Simone Rocha, Sneaker von Adidas
Look #2: Hellblaues Kleid von Topshop Unique, schwarzer Blazer von St. Emile, Boots von Kenzo
Look #3: Sweatshirt von Peter Jensen, dunkelblaue Hose von Acne, Loafer von Fratelli Rossetti
Look #4: Bluse von H&M, grüne Hose selbstgenäht, Sonnenbrille von Andy Wolf
Look #5: Roter Pullover von Rodier Monsieur, Culotte von Tibi, High Heels von Charlotte Olympia
Fotografiert von Theresa Reimann-Dubbers
– In Kooperation mit Iris von Arnim –