Am Eingang zum Hof hing ein pinkfarbenes Schild mit weißer Kringelschrift, es hätte auch der Wegweiser zu Barbie oder einem Bonbonladen sein können. Aber der nach Staub und Jasminblüten duftende Hinterhof führte zu einem anderen Mädchentraum: Handtaschen. Hinter der Holztür, die auch pink war und neben der man einen Klingelknopf drücken musste, lag die Boutique von Sarah’s Bag in einem typisch libanesischen Stadthaus: hohe Decken, Ornamentkacheln, gemusterte Fensterscheiben und die Wände so blau wie der Beiruter Morgenhimmel.
In jedem der fünf Zimmer gab es etwas anderes zu entdecken: Clutches mit Drucken von arabischen Graffitis, Schokoküssen und Vintagefotos von der Beiruter Strandpromenade; schwarze Abendtäschchen mit aufgestickten arabischen Schriftzügen; Minigeldbörsen mit Initialen; kleine, dreieckige Lederschachteln, in Form und Farbe angelehnt an die signature Verpackung des libanesischen Saftfabrikanten Bonjus. Auf den Regalen thronten mit pastellfarbenen Zuckererbsen gefüllte Vasen. Irgendwie war es tatsächlich wie im Bonbonladen. Vor allem aber merkte man: hinter einem so liebevoll eingerichteten Geschäft konnte nur eine Frau mit großem Herz stecken.
Heute kann man die Taschen dieser Frau auf der ganzen Welt kaufen, bei Farfetch und auf Matches Fashion. Sie selbst heißt Sarah Beydoun und hatte ursprünglich was ganz anders vor, als Taschen zu entwerfen. Ihre Magisterarbeit im Fach Soziologie schrieb sie über Prostitution im Libanon und recherchierte dafür ein halbes Jahr lang in Dar Al Amal, einer nichtstaatlichen Organisation, die die Rehabilitation von benachteiligten Frauen, ehemaligen Gefängnisinsassinnen und Prostituierten fördert.
Doch die Theorie allein reichte Sarah nicht. Also gründete sie im Mai 2000 das Label Sarah’s Bag. Die Idee: unterprivilegierten Frauen mit Nadel, Faden und Stickrahmen Perspektive und Lebensmut zurückzugeben. Sarah hatte bis dahin keine Ahnung von Entrepreneurship. Gerade deshalb ist der Erfolg ihres Labels aber auch der beste Beweis dafür, dass nicht Profitgier und kühle Strategie, sondern Enthusiasmus und Leidenschaft nach oben führen. „Ich hatte keinen Business-Plan, aber ich wollte, dass dieses soziale Projekt ein Erfolg wird“, sagt Sarah. „Deshalb musste ich diese Idee zu einem Geschäft machen.“ (Quelle).
Bis heute werden alle Entwürfe von Sarah’s Bag per Hand von den Außenseiterinnen der libanesischen Gesellschaft gefertigt. Und wer am Ende eine der Taschen in der Hand hält, der hofft, dass das heitere Design auch ein Ausdruck der Zuversicht jener Frauen ist, die an diesem Projekt mitwirken. Auch das macht Sarah Beydoun einzigartig: Sie schafft mit ihrem Label den Spagat zwischen Charity und Luxus. Ihre Entwürfe haben nichts von freudlosem Öko-Weltverbessertum. Man sieht mit einer Tasche von Sarah’s Bag unterm Arm nicht aus wie einer von diesen grauen Reformhausmenschen. Andererseits richtet sich die Marke nie nach Trends und ist dadurch zeitlos. Manche Taschen glitzern discotauglich, andere funkeln wie ein fliegender Teppich oder sind herrlich albern – zum Beispiel die Modelle der „Therapy“-Kollektion. Dafür ließ Sarah Täschchen mit aufgestickten Pillen veredeln und Abendclutches im Stil von Medikamentenpackungen mit Schriftzügen wie „Paradise tablets“ oder „Chill Pill“ bedrucken.
Zu der aktuellen „Tiki Temptation“-Kollektion habe ich sogar eine persönliche Verbindung: die Holzboxen im kitschigen Südsee-Look sind der Beiruter Institution „Pacifico“ gewidmet – dem Restaurant meines Onkels. Ein Grund mehr, Sarah Beydoun auf einen Fragebogen einzuladen. Und hier ist er schon. Obendrauf gibt’s ein paar karmafördernde Einkaufsempfehlungen. Viel Vergnügen!






Foto oben: Sarah Beydoun und ihre Schwester und Geschäftspartnerin Malak, fotografiert von Oliver Hadlee Pearch für M Le magazine du Monde