Was wissen wir eigentlich über die arabische Frau? In Deutschland hat sie keine Stimme, hier wird nur über ihren Kopf hinweg diskutiert, ob sie einen Schleier tragen soll oder nicht, was ihr Mann mit ihr machen darf und was nicht. Es gibt keinen arabischen Popstar, der in der westlichen Welt für die arabischen Frauen singt, keine arabische Autorin, deren Bücher hier gelesen werden, und dass das tunesische Model Hanaa Ben Abdesslem vor ein paar Jahren in den Medien so gefeiert wurde, lag wohl auch daran, dass es bis dato keine einzige Frau aus dem Orient auf die internationalen Laufstege geschafft hatte. Erst in diesem Jahr kam endlich mal ein Modeunternehmen auf die Idee, seine Kleidung den Vorschriften des Islams anzupassen: Anfang Januar präsentierten Dolce & Gabbana ihre erste Hijab-Kollektion.
Anum Bashir, die Frau hinter dem Modeblog Desert Mannequin, trägt keinen Schleier. Sie wohnt in Qatar, schreibt auf Englisch, lacht auf ihren Fotos und hüllt ihren Körper am liebsten in Rosie Assoulin. Ihr Lifestyle ist westlich, und doch ist sie die vielleicht erste Repräsentantin des Nahen Ostens, die etwas über die Frauen aus dieser Region erzählt. Die amerikanische Vogue hat ihr bereits den Titel der neuen Modebotschafterin des Nahen Ostens verliehen. Anum arbeitet für die Fire Station Artist in Residence Initiative, einen Kunstförderverein der Qatar Museums, und hat als Gasteinkäuferin für große Boutiquen internationale Labels in die Region gebracht.
Selbst trägt Anum gerne die Hemden und Jacketts ihres Mannes, kombiniert ein drapiertes Streifentop zum roten Hosenanzug oder einen seidenen Bademantel zu Jeans und T-Shirt. Fotografiert wird in der Tiefgarage. Regelkonform sind ihre Outfits dabei wohl nur zufällig. Auf ihrem Blog stellt sie regelmäßig Designerinnen aus dem Nahen Osten vor, Frauen wie sie, die über ihren Stil für sich sprechen – darunter die Taschendesignerin Nathalie Trad, die Schmuckdesignerin Shourouk Rhaiem und die türkische Modemacherin Gül Hürgel.
Anum ist Halbinderin, Halb-Pakistani, und wuchs in Doha auf. Ihr Stil erinnert mich an die Frauen im Libanon, der Heimat meiner Mutter: kultiviert, farbenfroh, feminin, nie übertrieben verschnörkelt. Auch das ist ja ein Vorurteil, das man sich im Westen so von der arabischen Frau erzählt: dass sie nur in Strass und pinkfarbenem Chiffon herumläuft, dass ihre Nase bestimmt operiert und die Haare künstlich verlängert sind und ihr Lebensinhalt darin besteht, einen wohlhabenden Scheich mit ausreichend Kamelen im Stall an Land zu ziehen.
Anum ist nicht gerade preiswert gekleidet, aber ihr feines Gespür für Silhouetten und Farbkombinationen, die nie überdosiert sind, beweist, dass ein luxuriös gefüllter Kleiderschrank nicht die Kreativität killt. Das kennt man ja leider von vielen Modebloggerinnen, die, sobald sie es sich leisten können, alles daran setzen, so viele Chloé-Teile wie möglich an einem einzigen Körper unterzubringen. Sowas macht Anum nicht. Stattdessen ist ihr Stil auch für Leute inspirierend, die sich keine 1200-Dollar-Clutch von Olympia Le Tan leisten können. Eine Frau also, die man im Augen behalten sollte. Zumal sie, soweit ich das aus unserer Emailkonversation schließen konnte, auch noch extrem sympathisch ist. Hier kommt ihr Fragebogen!
Alle Bilder: © Desert Mannequin