Berlin, orangefarben

Ich bin umgezogen, deshalb ist hier in den letzten Tagen solch eine Totenstille eingetreten. Das Haus, in dem ich jetzt wohne, ist orange, und irgendwie passt diese Farbe zu Berlin, einer Stadt, die ich in nur einem Monat auf ganz besondere Art lieben gelernt habe. Berlin ist orange, weil Herbst ist, aber auch, weil diese herrliche Metropole einen einzigartigen, manchmal etwas nostalgischen und zugleich immer progressiven Charme hat, heruntergekommene Häuserfassaden mit alten Neonschriftzügen aus DDR-Zeiten, idyllische kleine Parks mitten in der Stadt, in denen die leuchtenden Farben des Herbstlaubs im dunstigen Sonnenlicht schimmern, und Restaurants, die aussehen wie alte Imbissbuden, dabei aber feinste französische Küche servieren. Die Menschen in dieser Stadt sehen manchmal alle gleich aus mit ihren gekrempelten Hosen, den luftigen Mützen und New-Balance-Sneakern, und doch wollen sie vielleicht alle was Anderes sein als der Nachbar in der angrenzenden Altbauwohnung mit Stuck und Dielen, die der sich dank zäher, monatelanger Suche irgendwann geschnappt hat.

Vielleicht täusche ich mich auch, und diese Stadt ist eigentlich grau wie ein übrig gebliebenes Stück der Berliner Mauer, spätestens dann, wenn die Bäume ihr letztes orangefarbenes Blatt verloren haben und und die Farben bei eisigen Minusgraden zu öder Tristesse gefrieren.
Aber selbst dann wird Berlin immer noch von innen herausleuchten. Diese Stadt, die wie Phoenix aus der Asche neugeboren wurde, hat Energie und Dynamik, ist feurig und manchmal ein bisschen retro-orange wie ein alter Sessel aus den Siebziger Jahren, den sich der junge Berliner heutzutage ins Wohnzimmer stellt.

Glaube ich.