Ich habe die Lösung für Stress entdeckt

MEIN DANK GEHT AN RALPH LAUREN!

Ich glaube, ich habe die Lösung für Stress entdeckt. Ist hier irgendjemand nicht gestresst? Nee, oder? Stress haben doch alle, manche sogar Burn-Out. Deswegen gehen wir zum Yoga, schreiben Tagebuch, meditieren, essen Gemüse und tun allerlei andere Dinge, die am Ende meistens nicht für weniger, sondern nur noch für mehr Stress sorgen. Aber damit ist jetzt Schluss, und zwar dank Ralph Lauren. Um das zu erklären, muss man etwas ausholen. Am Montagabend betrat Lauren – 78, Modedesigner, Milliardär, Untermieter des Central Parks und der Grund, dass in den Hamptons keiner nackt herumlaufen muss, mit anderen Worten: ein Mann, der es geschafft hat – den roten Teppich bei den CFDA-Awards in einem faszinierenden Outfit. Lauren, der eigentlich Lifshitz heißt und Sohn eines Anstreichers ist, trug obenrum einen schwarzen Doppelreiher mit weißem Hemd und schwarzer Fliege, untenrum aber, Achtung, ausgeblichene Jeans und limettengrüne Cross-Country-Turnschuhe. Er sah aus, als sei er vor der Preisverleihung zu spät von einer Wanderung durch den Grand Canyon zurück gekehrt und habe deshalb nur noch Zeit zum Überziehen von Hemd, Fliege und Sakko gehabt. Untenrum blieb er im Wanderoutfit.

Manche werden beim Anblick dieses Looks aufgeschrien haben. Ich finde ihn sensationell. Er erinnert mich an die für über Skype geführte Bewerbungsgespräche übliche Kleiderwahl: Weil der Jobkandidat dabei nur einen Ausschnitt seiner selbst in die Kamera halten muss, ist auch nur dieser der Kamera ausgesetzte Körperteil ordentlich angezogen. Der Rest trägt Unterhose. Auch in dem Spielfilm „Goodbye Lenin“ gibt es solch ein halbes Outfit zusehen, und zwar in jener Szene, in der Alex und Denis für Alex’ Mutter, die nicht wissen darf, dass die DDR abgeschafft ist, eine falsche DDR-Nachrichtensendung drehen. Denis mimt den Nachrichtensprecher, allerdings nur obenrum. Untenrum trägt er Boxershorts. Das kann man im Trailer bei Minute 1:37 sehr gut sehen.

Ralph Lauren hat dieses Bekleidungskonzept nun in die Öffentlichkeit getragen, auf einen roten Teppich, der ja bekanntermaßen explizit auf Ganzkörperpräsentation ausgelegt ist. Und was sehen wir? Einen Mann, dessen maßgeschneidertes Sakko erst im Kontrast zu den rutschfesten Schuhen und der vom Wanderausflug gezeichneten Hose zum Strahlen kommt, der seine Unvollkommenheit zum Stilmittel erhebt, anstatt sie krampfhaft zu bekämpfen. Stellt euch mal vor, man würde das Prinzip von Ralph Laurens halbem Outfit auf das ganze Leben übertragen. Dann würde man zu einem sehr gesunden halben Salat ein fettiges Stück Pizza essen. Man würde ein Bein sehr gründlich rasieren, das andere dafür aber gar nicht. Man würde den Rasen im Garten bis zum äußerten Rand mähen, die Maulwurfshaufen aber stehen lassen. Man würde in einem Hochzeitskleid von Vera Wang heiraten, dazu aber Flip Flops tragen. Man würde morgens erst 20 Minuten sehr schnell rennen und dann 20 Minuten auf einer Wiese liegen. Man würde mit einem Mann glücklich werden, der volles Haar hat, aber käsige Waden. Im Büro wäre man nicht die beste Arbeitskraft, aber die beliebteste. Man würde sich nicht insgesamt gehen lassen, oh nein. In manchen Dingen wäre man durchaus sorgfältig. Das rasierte Bein würde neben dem unrasierten besonders schön glänzen. Und dabei wäre der Stress des Beinerasierens um die Hälfte reduziert. Es wäre, glaube ich, kein so schlechtes Leben. Man müsste dafür seine Ziele nicht aufgeben und hätte trotzdem keine Magenprobleme. Ralph Lauren macht jedenfalls einen ziemlich fidelen Eindruck.