Neulich stand ich vor dem Kleiderschrank und dachte: Anziehen ist wie Scrabblespielen. Man hat eine limitierte Auswahl an Kleidungsstücken (Buchstaben), mit denen man ein Outfit (Wort) bilden muss. Meistens flucht man, weil einem ein ganz bestimmtes Accessoire (ein ganz bestimmter Buchstabe) fehlt: wenn man das jetzt hätte, könnte man damit das perfekte Outfit (Wort) formulieren. Ein breiter Nietengürtel etwa würde den langweiligen braunen Cordblazer aufpeppen (hätte ich jetzt ein L, könnte ich damit das Wort LASSO bilden. Hätte ich doch!). Prinzipiell denkt man, zu wenig zum Anziehen zu haben, und das Gleiche gilt für’s Scrabble-Spiel: Immer glaubt man, zu wenige Buchstaben zu haben. Dabei hat man nicht zu wenige. Es bleiben schließlich immer welche übrig, wenn man endlich ein Wort gefunden hat. Das Problem ist, dass man zu viele hat – und deshalb den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht.
Also macht man Fehler: Man kauft sich einen gar nicht so günstigen Nietengürtel, obwohl man Nietengürtel noch nie mochte, trägt ihn einmal zum Cordblazer, und stellt dann fest, dass das so toll auch nicht aussieht (da ist die Rückgabefrist für den Gürtel natürlich schon abgelaufen). Beim Scrabble zieht man einen extra Buchstaben, natürlich kein L, sondern ein total unbrauchbares Ä, muss dafür eine Runde aussetzen, und legt in der nächsten vor lauter Verzweiflung das Wort EI.
Ich habe ja noch nie gerne Scrabble gespielt.
Und Anziehen finde ich zurzeit auch ganz schön überfordernd.
Meine Mutter, eine nie geschlagene Scrabble-Künstlerin, sagt immer, es sei ganz einfach. Man müsse die Buchstaben so lange auf seinem kleinen Buchstabenständer hin und herschieben, bis sich ein Wort ergäbe. Anstatt einen zusätzlichen Buchstaben zu ziehen, müsse man die, die man hat, stylen.
Ich war in den vergangenen Wochen – wie übrigens jedes Jahr um diese Zeit – mehrmals verführt, meine Fantasielosigkeit meinem Kleiderschrank in die Schuhe zu schieben. Der sei einfach nicht gut genug ausgestattet! Ich bräuchte dringend einen neuen Buchstaben – äh, Gürtel. Oder Schal. Oder Overall. Aber mein Kleiderschrank kann nichts dafür. Ich muss einfach anfangen, besser mit dem zu arbeiten, was ich habe. An dieser Stelle kommen die Laufsteglektionen ins Spiel – zugegebenermaßen ein totaler Eigennutzartikel, den ich allsaisonal vor allem deshalb schreibe, um selbst wieder auf Ideen zu kommen. Für euch, meine lieben Scrabblespielerinnen und -spieler, aber natürlich auch. Bevor ihr euch einen Nietengürtel kauft, bindet euch lieber eine Samtschleife um den Pulli. Steckt den Blazer in die Hose. Tragt Stehkragen (really!).
Eigentlich, dachte ich neulich, als ich in meinem Kleiderschrank endlich ein Outfit gefunden hatte, das mir gefiel, ist Scrabble ein tolles Spiel: Hat man schließlich ein gutes Wort gefunden, ist man für einen kurzen Moment der glücklichste Mensch der Welt.
Stehkragen für Unordentliche
In der fünften Klasse war ich einer von diesen kleinen Hosenscheißern, die mit aufgestelltem Polohemdkragen durch die Gegend liefen. Das machte man damals in meiner Altersgruppe so, natürlich ohne darüber nachzudenken, wie bekloppt man dabei aussah. Heute sind wir alt genug für wohlüberlegte Entscheidungen, und das hier ist eine: Tragt Stehkragen. Nur bitte nicht im Polo, sondern in einem luftig geschnittenen Hemd, wie man es in jedem Männerkleiderschrank findet. Der Stehkragen sollte nicht stramm stehen wie ein General, sondern ein bisschen zerzaust aussehen wie eine gerade aus dem Bett gefallene Pariserin. Ein Minirock dazu schadet auch nicht. Siehe Balenciaga!
Liebesperlen
Endlich gibt es wieder einen Grund, in den Perlenladen zu gehen – ein Ort, an dem ich im letzten Herbst kurzfristig so etwas wie meine innere Mitte fand, als ich mir dort einen Ohrring bastelte. Emilio Pucci hat jetzt diesen liebesperlenartigen Taillengürtel vorgestellt, den man natürlich sehr gut selbst machen kann. Entweder direkt im Perlenladen, oder, auch schön, unterm Tannenbaum, während drumherum der traditionelle Familienstreit aufbrandet. „Betrifft mich nicht“, werdet ihr voll Gleichmut denken, Perle auf Perle reihend, während Türen knallen, der Hund jault und Schwestern kreischend in ihre Zimmer rennen.
Blazer auf neuen Wegen
Blazer und Hose, das ist das Sushi unter den Outfits: schick, kosmopolitisch, ein bisschen langweilig. Aber Moment! Was, wenn man den Blazer IN die Hose steckt? Ich wünschte, diese raffinierte Idee wäre von mir, aber natürlich ist sie von Clare Waight Keller, die in ihrer Chefdesignerrolle bei Givenchy gerade zu Hochtouren aufläuft. Das In-die-Hose-Stecken funktioniert übrigens auch mit Lederjacken. Oder Cardigans. Oder Taschenmessern.
Die Kirsche auf dem Kopftuch
Das Kopftuch ist zurzeit in der Mode, was das Wort YOGA im Scrabble ist: sehr hoch im Kurs (FYI: YOGA bringt 15 Punkte). Und es spricht ja auch nichts dagegen, einen Trend mal mit vollem Einsatz mitzumachen. Aber wie wäre es mit einer Kirsche obendrauf: einer Brosche, angebracht auf Stirnhöhe? J.W. Anderson, von dem dieser Vorschlag kommt, empfiehlt minimalistische Anstecker, man kann aber natürlich auch eine Brosche in, hihi, Kirschform verwenden.
Auf Schleife
Jedes Jahr im November überkommt mich der große Wollpullover-Hass, dabei hat die Saison gerade erst angefangen. Aber so ein Wollpullover nervt halt. Er ist farb-, einfalls- und humorlos. Wäre er ein Scrabble-Wort, dann garantiert EI! Aber bevor ich mich weiter aufrege, kommt hier ein Vorschlag zur Rettung des Wollpullovers: Eine Samtschleife! Marc Jacobs, von dem die Idee kommt, empfiehlt obendrein einen Volantrock, Lurex-Strümpfe, eine Halskrause und einen schicke Handtasche dazu zu kombinieren, und auch damit bin ich absolut einverstanden.
Geheimnistüll
Wer mit so einem Tüllding auf dem Kopf auf eine Party geht, braucht ein bisschen Selbstbewusstsein. Die Leute werden irritiert sein und ein bisschen ängstlich, weil sie einem nicht direkt ins Gesicht gucken können. Mit einem Tüllschleier sieht man sehr geheimnisvoll aus. Ein bisschen wie ein Spion, der durchs Dickicht späht. Und der ist man ja auch. Was ich durch meinen Tüllschleier beobachte, ist alles Stoff für meinen nächsten Gesellschaftsroman. (Gesehen bei Celine. Einen Tüllschleier findet man bei Etsy oder im Bastelladen. Man kann ihn an einen Haarreif, ein Hütchen oder eine Wollmütze nähen – siehe Jil Sander anno 2012!)
Eng verbunden
An dieser Stelle wird es Zeit, das Lieblings-Scrabble-Wort meiner Mutter zu erwähnen: YEN. So heißt die japanische Währung. YEN steht tatsächlich im Duden und bringt 12 Punkte – was viel ist, wenn einer der Buchstaben auf einem roten Feld liegt (DREIFACHER WORTWERT). Ein bisschen wie YEN funktionieren diese total unaufwendigen Schuhe, gesehen bei Monse: Man braucht dafür nur ein Paar schlichte, farblose Mules und zwei identische Seidentücher, die man sich gekonnt um die Fersen schlingt. Bums, fertig sind die schicksten Sandaletten dies- und jenseits des Äquators.
Es bleibt in der Familie
Meine Schwester hatte als Teenager eine zeitlang eine „pinke Ecke“ in ihrem Zimmer, eine Art Schrein mit Schmuckschachtel und Spiegel, alles in Pink. Dazu trug sie von Kopf bis Fuß: Pink. Ich frage mich, warum meine Schwester diesen exzentrischen Hang eigentlich abgelegt hat. Vielleicht habe ich mich zu oft über ihren Pink-Wahn lustig gemacht? Bei Mulberry lernen wir jetzt, wie schick das aussehen kann, wenn man in eine Farbfamilie einheiratet. Um zu vermeiden, dass man dabei mit einem Buntstift verwechselt wird, lädt man noch ein paar entfernte Verwandte dazu ein: etwa Schuhe, die nicht nur pink, sondern auch gold sind. Oder einen Pullover, der Tupfen in einer Kontrastfarbe hat.
Völlig von den Socken
Ja, klar, nackte Beine im Winter sind total unvernünftig, unveranwortlich, ein Gesetzesbruch, kriminell!!! (Keine Übertreibung: Jedes Mal, wenn ich in den Augen wildfremder Passanten zu dünn angezogen bin, werde ich mit Blicken gestraft, die genau das zu sagen scheinen). Eine echte Spaßbremse ist dagegen die gesellschaftlich anerkannte Strumpfhose: Sie rutscht, kratzt, zwickt, bleibt an Fahrradschlössern hängen und hat nach einem Mal Tragen ein Loch. Viel besser: transparente Kniestrümpfe, wie Prada sie hier zeigt, und dazu ein Paar wärmende Radlershorts unterm Rock. Bond-Girls klemmen sich noch eine Mini-Wärmflasche ans Strumpfband. Die Strümpfe muss man natürlich nicht bei Prada kaufen. Gibt es schließlich auch bei DM, Falke und Wolford
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