Haute Couture fuer den Schwangerschaftskurs

 

Man fragt sich wohl, welche Muse den Chefdesigner von Chanel fuer die nun vorgestellte Haute Couture Printemps 2011 Kollektion gekuesst hat.
Vielleicht seine Grossmutter. Oder die Leiterin des oertlichen Schwangerschaftskurses.
Haute Couture – das ist die Koenigsklasse der Schneiderkunst, das Verrueckteste, Absurdeste, Dekadenteste und Herrlichste, was die Modewelt zu bieten hat. Vielleicht ein Dutzend Frauen weltweit koennen sich ein Haute Couture Kleidungsstueck leisten, wobei Kleidungsstueck im Grunde eine beleidigende Bezeichnung ist, handelt es sich bei Haute Couture zumeist doch um wahre Kunstwerke.
Aber was Karl Lagerfeld da am 25. Januar in Paris vorgestellt hat, hat wahrlich nichts mit Kunst zu tun.
Blass geschminkte Models watscheln in flachen, spitz zulaufenden Satinpantoffeln ueber den Laufsteg, die Mimik unbewegt, gelangweilt. Da kommt gleich die Frage auf, ob man in einem Outfit, dass rund 500 000 Euro (persoenliche Schaetzungen!) wert ist, ueberhaupt so desinteressiert gucken darf. Naja. Wenn ich in diesem Aufzug vor hochkaraetiges Publikum treten muesste, wuerde ich wahrscheinlich auch so gucken. Augen zu und durch.

 

In dieser Saison widmet Karl Lagerfeld sich abermals dem Zwiebellook. Brav faellt das altbekannte Tweedjaeckchen in den innovativen Farben Schwarz, Weiss, Grau oder Fleischrosa ueber den passenden Minirock, aber soviel Freigeist darf nicht sein, es muss eine leichte Hose drunter, wahlweise aus glitzerndem Paillettenstoff.
Kaum hat man sich vom ersten Schock erholt, holt Herr Lagerfeld abermals aus und sorgt mit rosa gebluemtem Ballonroeckchen und hueftig sitzendem, farblich passendem Flatterseidenguertel fuer ein verzweifeltes Kopfschuetteln. Nach derartigen, kaschierenden, braven Kleinmaedchenlooks kann man auch in der H&M-Kinderabteilung suchen.

 

 

Auch das Babydolltop mit Glitzerschleifchen und Seidenrose in po-deckender Laenge koennte dem aufregenden Schnitt nach zu urteilen aus der Massenindustrie stammen.
Des Meisters naechster Streich sind die unzaehligen kleinen Kristalle, die das knoechellange Kleid mit zuechtigem Rundhalsausschnitt zieren. Professionelle Naeherinnen sind fuer diese beeindruckende Handarbeit verantwortlich. Die Arbeitszeit haetten sie besser nutzen koennen, was wieder einmal beweist, das aufwendige Verarbeitung kein schoenes Design garantiert, und Glitzer absolut nicht mit Glamour gleichzusetzen ist. Glamour, das ist es, wonach man in dieser Kollektion vergeblich suchen muss. Die Schnitte sind nicht perfekt, die Details nicht raffiniert, die Models lassen die Koepfe haengen, der Gesamteindruck ist enttaeuschend. Wo bleibt das aufregend Neue, das Verrueckte, das sich zu Recht nicht in der Pret-a-Porter-Mode finden laesst, aber doch in dem bunten Zirkus der Haute Couture vorhanden sein sollte?

 

Ich sehe nur wallende, hueftkaschierende Schwangerschaftsmode in gedeckten Toenen, Barbie-Glitzer fuer dreizehnjaehrige, quietschende Maedchen und immer wieder diese schaurigen Satin-Schlappen, in denen man schlurfen und watscheln, jedoch keinesfalls selbstbewusst durch die Gegend schweben kann.
Das ist keine Haute Couture, das ist Haute Catastrophe.