BOYS BOYS BOYS in Hamburg: Interview mit Yves Hanke

Die meisten Herrenmodegeschäfte in Hamburg bestechen nicht gerade durch innovative Ladenkonzepte und ein ausgefallenes Sortiment. Lederne Segelschuhe, Wachsjacken in gedeckten Farben und blaue Polohemden in den Auslagen bestätigen das Vorurteil des “hanseatischen Understatements“.
Glücklicherweise gibt es eine Ausnahme. In der Hamburger Schanze führt Yves Hanke seit November 2009 das Geschäft BOYS BOYS BOYS – bei ihm findet man kein hanseatisches Understatement, sondern Avantgarde vom Feinsten.
Ich traf Yves in seinem erfrischend minimalistisch gestalteten Shop am Neuen Kamp, und bei einem soliden Kaffee plauderten wir über Rick Owens, Männermode im Wandel und die Shoppingwüste Hamburg.


Claire: Welche Geschäftsidee steckt hinter BOYS BOYS BOYS?
Yves: Bevor ich BOYS BOYS BOYS gegründet habe, habe ich die beiden American Apparel Stores sowie die Urban Outfitters Filiale hier in Hamburg eröffnet und gemanagt. Allerdings wollte ich schon immer in den Einzelhandel, und außerdem eine Lücke in Hamburg schließen: Die Idee war es, einen Shop für innovative, individuelle Männermode zu eröffnen. Vor 15, 20 Jahren spielte sich noch alles in Hamburg ab, hier war die Mode- und Musikszene angesiedelt, aber mittlerweile hat sich das ziemlich geändert. Ich finde Hamburg zum Einkaufen furchtbar, es gibt fast nur Ketten, und was Mode betrifft, gehen hier wenige Leute mal ein Risiko ein. Dem will ich mit BOYS BOYS BOYS entgegenwirken.
Claire: Dein Konzept passt ja gut hierher ins eher unkonventionelle St. Pauli.
Yves: Na ja, in St. Pauli gibt es 100 Dönerbuden und Läden, die gehäkelte Ökomode verkaufen, und die Männer tragen Baggyjeans und North Face Jacken… hier macht auch keiner mal was Neues.
Claire: Meinst du, das Hamburg überhaupt das Zeug zur Modemetropole hat?
Yves: Nein.
Claire: Warum nicht?
Yves: Hamburg ist zu uniformiert, es herrscht ein bestimmtes Kleidungsideal vor, dem alle nachkommen wollen. Im Allgemeinen gibt es hier einfach viel zu wenig innovative Ideen im Bereich Mode und vor allem für Männer kein breites Angebot. Ich glaube nicht unbedingt, dass sich das in Zukunft ändern wird.
Claire: Wer ist der BOYS BOYS BOYS-Typ?
Yves: BOYS BOYS BOYS spricht den modebewussten Mann zwischen 20 und 35 Jahren an, Schüler und Studenten mit kleinerem Geldbeutel und auch Männer jenseits der 30, die Wert auf innovative Mode, Stilbewusstsein und Qualität legen.
Claire: Nach welchen Kriterien orderst du Designer?
Yves: Mir ist wichtig, dass die Mode, die ich verkaufe, auf ihre Art innovativ ist. Dass die Designer in der Modewelt eine Vorreiterrolle spielen und dass die Kleidung einen hohen Wert an Ästhetik und Qualität hat. Ich kaufe ein, was mir gefällt, der Laden ist “hundertprozentig ich“ – natürlich gucke ich auch über meinen eigenen Tellerrand, aber was du hier siehst, spiegelt schon meinen eigenen Stil wider.
Claire: Und welche Designer hast du in dieser Saison im Laden?
Yves: Zurzeit habe ich neben den Marken, die ich schon länger im Shop habe – April 77,5PREVIEWDRKSHDW by Rick Owens und BOYS BOYS BOYS – die Labels Silent, Tuesday Night Band Practice (die gehen schon ein bisschen in Richtung Gothic), außerdem Sleep is Commercial, natürlich Henrik VibskovActual Pain und Patrick Mohr.
Claire: Können und sollen auch Mädels bei BOYS BOYS BOYS einkaufen?
Yves: Ja, viele Teile sind unisex, zum Beispiel die T-Shirts von 5PREVIEW, und das ist auch so gewollt. Ich will nicht ausschließlich Männer ausstatten.
Claire: Zurzeit wandelt sich die Männermode, sie scheint immer femininer zu werden und die Grenzen zwischen Herren- und Damenmode verwischen. Was hältst du davon? Ist das eine positive Entwicklung?
Yves: Ich glaube gar nicht, dass die Männermode unbedingt weiblicher wird. Aber sie emanzipiert sich. Bisher gab es für Männer in der Mode kaum Vielfalt und Auswahl, das ändert sich jetzt langsam. Natürlich sehe ich das als positive Entwicklung. Frauen können immer alles tragen, aber bei Männern ist die Hemmschwelle oft zu groß, um mal zu innovativer, ausgefallener Mode zu greifen. Neulich war ich in Hongkong, da ist das ganz anders. Jungs und Männer sind dort im Umgang mit Mode viel mutiger und aufgeklärter – nicht alles, was in der Männermode neu und ungewohnt ist, muss gleich als feminin gelten. Viele Männer denken leider immer noch, dass ein modisches Stilbewusstsein ihrer Männlichkeit schadet.
Claire: Männer sollten also mutiger werden und auffällige Mode nicht scheuen.
Yves: Ja, aber das darf man so allgemein auch nicht sagen. Mode kann schnell schiefgehen. Was wichtig ist, ist dass das Stilbewusstsein stimmt, dass man das trägt, was einem wirklich gefällt und den eigenen Stil widerspiegelt. Man sollte sich Mode nicht diktieren lassen. Ich werde hier keinem einen Rick Owens Mantel aufschwatzen, wenn es nicht zu seinem Stil passt.
Claire: Wo kaufst du gerne ein?
Yves: Für den Shop kaufe ich in Paris und online ein, und für mich selbst auch hauptsächlich das, was ich im Laden habe. In Hamburg fast nirgendwo, Hamburg ist eine Shoppingwüste.
Claire: Die Modemetropole schlechthin?
Yves: Paris. Paris ist und bleibt für mich die Modestadt überhaupt, bedingt durch seine Geschichte – Paris war schon immer eine Modemetropole. Die Menschen dort haben einen so ausgeprägten Sinn und ein großes Bewusstsein für Mode und messen ihr einen hohen Wert bei. Männer tragen auch mal außerhalb des Büros einen Anzug, man kleidet sich einfach ordentlich und legt Wert auf Qualität.
Claire: Könntest du dir vorstellen, Mode von Avantgardisten wie Comme des Garçons oder Yohji Yamamoto zu verkaufen?
Yves: Ja, auf jeden Fall. Besonders Comme des Garcons gefällt mir gut.
Claire: Aber nicht immer tragbar.
Yves: Ja, aber ich verkaufe hier auch Sachen, die nicht auf den ersten Blick tragbar sind. Es gibt auf jeden Fall einen Markt dafür. Ich hatte mal einen oversized Cardigan aus Pailletten für 600 Euro – so was ist natürlich nicht gerade alltagstauglich und davon bestellt man dann auch nicht 25 Stück, aber es gibt immer Leute, die so was anspricht und die das nötige Kleingeld haben. Der Laden BOYS BOYS BOYS ist abenteuerlich, wer den betritt, ist auch offen für nicht offensichtlich tragbare Mode.
Claire: Und was wird aus BOYS BOYS BOYS?
Yves: Im Moment läuft es sehr gut, auch der Onlineshop ist erfolgreich und mittlerweile auch im Ausland bekannt. Ich könnte mir durchaus vorstellen, einen weiteren Laden zu eröffnen, wo genau, wird sich dann zeigen.
Factsheet:
Onlineshop: boysboyboys.de
Adresse: Neuer Kamp 19, Hamburg
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 12 – 19 Uhr, Samstag 12 Uhr – 18 Uhr
Weitere Impressionen aus dem Store: