DIY: Der Schößchenrock

 

Die Geschichte, die hinter diesem himbeerfarbenen Schößchenrock, handgefertigt im Atelier Clairette, steckt, ist dramatischer als man glauben mag. Das Theater begann kurz vor Silvester. Als Co-Gastgeberin organisierte ich eine wahnsinnig glamouröse Soiree zum Jahreswechsel, und da ich selbst den Dresscode „Cocktail“ proklamiert hatte, konnte ich natürlich schwerlich in einem mittelmäßigen Kartoffelsack aufkreuzen. Also beschloss ich, wieder einmal ein Kleid zu nähen, das hat zu Silvester in meinem Atelier mittlerweile Tradition, und, das sage ich gleich, bereits im letzten Jahr glich die Kreation dieses speziellen Kleides einem einzigen Desaster, glücklicherweise mit überraschend positivem Ausgang, allerdings erst nach zahlreichen höchst theatralischen Nervenzusammenbrüchen (die Story dazu kann man hier nachlesen). Ich weiß auch nicht, warum es mir so unglaublich wichtig ist, das neue Jahr als avantgardistische Halbgöttin verkleidet zu begrüßen, nennt mich verrückt oder was auch immer, so ist das nunmal, tut mir leid.

Zurück zum Silvesterkleid 2011/2012: Vollkommen entzückt von Guccis vergangener Winterkollektion träumte ich von einem hochgeschlossenen, verschlungenen und rückenfreien Seidenkleid mit Beinschlitz, eben so wie das Modell Nr. 2 aus Frida Gianninis Kollektion. An diesem Punkt beginnt der Wahnsinn dieser Geschichte, denn ein solches Kleid ohne Schnittmuster und mit eher durchwachsener Nähkompetenz erfolgreich herzustellen ist, das weiß ich nun, ein Ding der Unmöglichkeit.

Aber als junger Mensch ist man ja dumm, naiv und immer lustig gestimmt, und so spazierte ich nach Weihnachten frohlockend in mein liebstes Stoffgeschäft und kaufte für ein kleines Vermögen zwei Meter reine Seide, himbeerrot, herrlich fließend, wunderbar.
Mithilfe von Zeitungspapier, Lineal, Bleistift und reichlich motivierender Musik im Hintergrund hatte ich zuvor ein meiner Meinung nach sehr aussagekräftiges Schnittmuster für das Kleid „entworfen“ und nun also sollte mit Stecknadeln und Stoffschere die schöne Seide attackiert werden. Den ganzen Tag verbrachte ich in einem Trancezustand, hin und her wandelnd zwischen Bügelbrett und Nähmaschine, besessen von der Idee, das fantastischste und verführerischste Kleid überhaupt an Silvester zu tragen – und das auch noch selbstgenäht! Ja, manchmal neige ich zu Größenwahnsinn. Um 18 Uhr fand, nach zehnstündiger Arbeit, die erste Anprobe statt, das Ding sah irgendwie eigenartig aus, die vorher so leicht und luftig erschienene Seide hing mir wie ein nasses Handtuch von der Hüfte, der Rückenausschnitt war gigantisch und hatte sich auf mir schleierhafte Art und Weise auch auf der Vorderseite ausgebreitet (sehr freizügig!) und überall klafften offene Nähte und schreckliche Fransen. In einem weiteren mehrstündigen Nähmarathon erlag das Kleid unzähligen Änderungen, hier und da wurde gezupft, gesteckt, gezerrt und schließlich verzweifelt gerissen, bis ich mit hängenden Mundwinkeln und traurigen Augen irgendwann um Mitternacht vor dem Spiegel stand und feststellen musste, dass das „Ding“ zwar irgendwie ganz annehmbar aussah, bei der kleinsten Bewegung jedoch derart dramatisch verrutschte, dass ich mich bei dieser glamourösen Silvesterveranstaltung garantiert durchgehend unwohl fühlen würde.
Am 31. Dezember 2011 trug ich ein Leopardentop, einen schwarzen Faltenrock und Plateauschuhe.
Das himbeerfarbene Ungetüm lag hinter meinem Kleiderschrank und sollte dort auch bleiben, für immer.
Aber eines Tages Mitte Februar bekam ich Mitleid mit dem Ding. Dieser herrliche Stoff! Solch exquisite Seide, gewonnen aus Hunderten von Seidenraupenkonkons, durfte unmöglich in einer dunklen Zimmerecke versauern. Und deshalb schmiedete ich einen Rettungsplan. Trennte das Oberteil, hauptverantwortlich für das missglückte Endprodukt, vom Rock, und eliminierte es. Ergänzte den Rock um hübsch gerüschte Schößchen, setzte einen Reißverschluss ein und fühlte mich wie Frau Doktor Couture.
Und die Moral von der Geschicht‘? Schuster bleib bei deinen Leisten. Ich bin Clairette und nicht Frida Giannini, Schreiberling und nicht Modeschöpfer. So ist das nunmal. Aber Röcke mit Schößchen nähen, das krieg‘ ich grad‘ noch so hin.