Zurück aus dem Morgenland

Die Affinität zum Orient wurde mir gewissermaßen in die Wiege gelegt – meine Mutter ist Libanesin. Im Alter von drei Jahren absolvierte ich meine allererste Flugreise in ihr Heimatland, seitdem lässt mich der Duft von frischgebackenem arabischem Brot, Hummus, Meeresbrise und Souk nicht mehr los. Ich liebe das Morgenland, das gleißende Licht, das dort allmorgendlich durch die hohen, kunstvoll verschnörkelten Fenster fällt, die pittoresk-romantische Architektur, das lebendige Treiben auf Straßen und Märkten, die Gelassenheit und Gastfreundlichkeit der Orientalen. Dass ich mich nun auch auf Anhieb in den Oman, dieses dünnbesiedelte Land mit seinen traumhaften Stränden und der kargen Wüstenlandschaft, verlieben würde, war zu erwarten.
Wer zu dieser Jahreszeit in das Sultanat reist, den empfängt ein nahezu paradiesisches Klima. Die Luft ist trocken und liegt bei milden 25 Grad wie ein Seidenhauch auf der Haut – eine Temperatur, die man nicht spürt, optimal, um ein neues Land kennen zu lernen.

Die erste Fahrt vom Flughafen durch Muscat versetzte mich in Staunen – anders als ich es erwartet hatte, wirken die Straßenzüge dort so überaus gepflegt, sauber und aufgeräumt. Beirut kenne ich als eine chaotische, überhitzte, quirlige und nicht immer ganz ordentliche Stadt, in Muscat weht ein anderer Wind. Seit den Siebziger Jahren hat der amtierende Sultan die sanfte Modernisierung Omans angeordnet, und seitdem hat sich in dem reichen Wüstenstaat, der überwiegend Erdöl und Erdgas exportiert, die Tradition langsam aber sicher mit der Moderne verknüpft. Diese Mischung ist einzigartig und überaus angenehm. Kein einziges Hochhaus verschandelt die von zerklüfteten Bergen umgebene Silhouette von Muscat, keine gigantische Bettenburg – denn Touristen findet man hier zum Glück auch noch sehr wenige. Nur entlang der Strände reihen sich einige feine Luxushotels diskret aneinander.

Das Stadtzentrum mit dem fast steril wirkenden Regierungsviertel und dem Sultanspalast (einem von vielen – zurzeit soll sich Sultan Qaboos allerdings in einem Schlösschen unweit von München aufhalten!) ist von herrlichen Grünflächen durchzogen, Dattelpalmen spenden zur Mittagszeit Schatten. Und natürlich ist die vorherrschende islamische Kultur unübersehbar. Eines meiner unangefochtenen Highlights der Reise war mit Sicherheit die morgendliche Besichtigung der Grand Mosque, einem glänzenden, oasenartigen Bau mit fünf Minaretten und einer traumhaften Gartenanlage. Das strahlende Licht der Morgensonne, das durch die luftigen, marmorsteinernen Bogengänge fällt, illuminiert auch die mit herrlichen Keramikkacheln aus Persien und Indien belegten Wandnischen. In der gigantischen Kuppel hängt ein 8 Tonnen schwerer Swarovski-Kristallleuchter. Selten habe ich ein derart formvollendetes und elegantes Gotteshaus gesehen, das trotzdem keinesfalls kitschig oder dekadent erscheint. Endlich darf man den Islam hier einmal in seiner schönsten kulturellen Vielfalt erleben, unbeachtet der bösen Nachrichten über radikale Islamisten und deren Untaten, die uns in Europa immer wieder erreichen. Der Oman ist ein friedliches Land, der Sultan sorgt mit seiner sorgfältigen Politik für Zufriedenheit im Volk, die Kriminalität liegt laut unseres ortsansässigen Reiseführers bei Null Prozent.
Die omanische Naturlandschaft ist von nicht minderer Schönheit als die islamisch geprägte Architektur. Im Wechsel durchquert man hier karge Bergwelten wie auf einem fremden Planeten, dann plötzlich einen saftig grünen Wadi, ein Tal, in dem glasklares Wasser durch wahrhaftige Palmenwälder fließt – und auf einmal erstreckt sich eine unendliche Wüstenlandschaft vor einem, rote Sanddünen wie aus 1001 Nacht. Da fehlt dann tatsächlich nur noch der fliegende Teppich.
Während Muscat als moderne Metropole mit besonderem Charme durch die Lage am Indischen Ozean erstrahlt, erlebt man in der Kleinstadt Nizwa noch das traditionelle orientalische Leben. Auf dem Freitagsmarkt wurde ich Zeuge des lebhaften Viehhandels, der mit großer Emsigkeit betrieben wird – am liebsten hätte auch ich hier eine nette kleine Ziege erstanden, das wäre mal ein innovatives Urlaubssouvenir gewesen. Egal ob in Frankreich, Indien oder im Oman: ich liebe es, in fremden Ländern über Märkte zu flanieren, die Atmosphäre ist dort zwischen den Ständen mit fangfrischem Fisch, exotischen Obst- und Gemüsesorten und traditionellen Spezialitäten (hier zum Beispiel lebende Tauben!) immer wieder einzigartig – und man erlebt die Einheimischen in einer ganz authentischen Alltagssituation: beim Einkaufen.
Im Oman existieren Tradition und Moderne in einem erstaunlichen, harmonischen Potpourri. Es gibt riesige Supermärkte von amerikanischer Dimension, und tradtionelle Souks, auf denen man Weihrauch, silberne Dolche und Gewürze erwerben kann. Es gibt moderne Bauten, in denen immer noch die klassischen Elemente der omanischen Architektur erkennbar sind. Man kann herrliche Palastfestungen oder alte Lehmsiedlungen besichtigen. Und man kann auf einer roten Sanddüne oder am Strand von Salalah, unter Kokospalmen, die Abenddämmerung genießen, wenn die Sonne hinter den violett-gefärbten Bergen versinkt und den Himmel in ein anthrazit-orangefarbenes Licht taucht.
In solch einem prächtigen Land macht es natürlich unheimlich viel Spaß, zu fotografieren, wozu auch das sehr klare und strahlende Licht beiträgt. Bevor ich mich im nächsten Post mit der Garderobe der Omanis beschäftigen werde und es dazu dann zahlreiche Streetstyles zu sehen gibt, folgt hier nun erst einmal eine Auswahl meiner Landschafts- und Architekturaufnahmen. Auf meinem tumblr gibt es außerdem ein paar stimmungsvolle Instagrambilder zu sehen. Viel Vergnügen!