Bellini mit Blake

STARS SIND AUCH NUR MENSCHEN

Neulich war ich in Venedig und habe dort Blake Lively verhört. Ohne Witz! Zur Präsentation des neuen Gucci-Duftes hielten wir, also Blake und ich, uns in der selben Stadt auf und da habe ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, der schönsten Blondine Hollywoods seit Marilyn Monroe ein paar Fragen zu stellen. Frau Lively ist nämlich das neue Gesicht der Gucci-Kampagne. So fing alles an. Aber der Reihe nach.

Mein grenzenloses Entzücken begann natürlich schon in dem Moment, da ich meinen Fuß ins Wassertaxi gesetzt hatte, um in wilder Fahrt durch die verschlungenen Kanäle vom Flughafen zum Hotel zu brausen: denn gibt es einen magischeren Ort als Venedig, eine Stadt von vergleichbarer Eleganz und mystischer Schönheit? Keine passendere Stadt also hätte sich das italienische Modehaus für die Präsentation des neuen Parfums mit dem einfallsreichen Namen „Première“ aussuchen können, die am Abend des 1. September beim Dinner im Restaurant Cipriani zelebriert wurde.

Nachdem ich den Nachmittag damit verbracht hatte, die Stadt zu erkunden, und dabei wirklich aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen war – denn kein einziges Haus ist in Venedig hässlich! Keine Brücke nicht romantisch! Kein Kanal nicht charmant – hätte ich nicht gedacht, dass sich meine Faszination noch steigern lassen würde. Aber als ich dann zum Cocktail-Empfang auf der Terrasse des Cipriani stand, mit Bellini und Thunfischhäppchen versorgt, und die Abendsonne die Fassaden auf der anderen Seite des Kanals golden illuminierte, da war es doch tatsächlich um mich geschehen. Ich fühlte mich königlich.

Das alles klingt jetzt wirklich wahnsinnig dekadent und mondän, und vielleicht wird mich der ein oder andere, der diesen Text hier liest, nun doch als durchtriebene Luxusschlampe abstempeln. Darauf kann ich nur entgegnen: gerade die Tatsache, dass mich dieser ganze Glamour und dieses hochtrabende Spektakel in Staunen versetzten, beweist, dass ich derartige Veranstaltungen in der Tat absolut nicht gewohnt bin. So viel zu meiner Verteidigung.

(Wobei ich gerne zugebe, dass man sich an die Bellinis im Cipriani gewöhnen kann.)

Zurück zum Abendprogramm: immer noch von ausnehmend knackigen Kellnern umgarnt begab sich nach diesem Auftakt die versammelte Meute augenklimpernder Beauty-Redakteurinnen aus aller Herren Länder ins Gebäude, um zunächst Nicolas Winding Refn’s Spot zum neuen Gucci-Duft anzuschauen (nebenbei bemerkt auch der Regisseur des Streifens „Drive“), und anschließend im Festsaal des Hauses ein Abendessen einzunehmen. Dabei saß übrigens der schnuckelige Ryan Reynolds keine zwei Meter entfernt von mir am Nebentisch. Bedauerlicherweise wurde er uns schmachtenden Journalistinnen als Blake Livelys neuer Freund vorgestellt, und an diesem Umstand konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass ich einen Großteil des Abends damit verbrachte, in meiner wehenden, rückenfreien Acne-Robe in Zeitlupentempo vor seinen Augen auf und ab zu flanieren, wobei ich selbstredend so tat, als sei ich lediglich auf der Suche nach dem nächsten Bellini-Tablett.

Weiterhin saß ich umgeben von lauter schnatternden Amerikanerinnen, die alle entweder im Namen der ELLE oder der VOGUE oder von Refinery29 angereist waren, und mich alle „wonderful“ fanden – ich glaube, das ist so ein amerikanisches Ding, alles wonderful zu finden, das 18 Jahre alt ist und nicht aus Amerika kommt. Vielleicht machte ich mich auch dadurch beliebt, dass ich als einzige die Courage besaß, vor der versammelten Gesellschaft anorektischer Vertreter aus der Mode- und Beautybranche die mir vorgesetzten Speisen auch tatsächlich aufzuessen. (Als Vorspeise gab es Risotto Milanese mit Zucchini, gefolgt von einem eigenartig schleimigen Hummer-Carpaccio, naja, ich esse ja alles; und als Dessert ein Mandel-Parfait mit Passionsfrucht. Trotz der winzigen Portionen, die keine Ameise gesättigt hätten, besaß offensichtlich nur ich die notwendige Magengröße, um jeden Teller komplett leeren zu können. Ich Tier.)

Und schließlich, endlich, kam dann die gute Blake anspaziert, perfekt in ein bordeauxrotes Mini-Paillettenkleid eingenäht, und mit einem Mal wurden all die hübschen Beauty-Redakteurinnen und A- und B-Prominenten ganz blass. Bis heute frage mich, was uns alle in derart andächtiges Schweigen versetzte, ganz so, als wäre Aphrodite gerade vom Olymp herabgeschwebt.

Wieso eigentlich werden selbst die ausgefuchstesten Profi-Journalisten, die schon Lady Gaga und Madonna gegenüber saßen, beim persönlichen Kontakt mit einem derartigen Weltstar von plötzlichem Herzrasen heimgesucht? Was ist es, was uns an berühmten Menschen so verzaubert und fasziniert? Finden wir unser eigenes Leben als unbekannte Normalsterbliche tatsächlich so langweilig?

Blake Lively hat eine Aura, die mich vollkommen fesselte, sie ist authentisch, sympathisch und dabei auch noch ziemlich lässig. Doch warum findet das alle Welt so weltbewegend und spannend? Es gibt doch noch mehr Blake Livelys auf diesem Stern, auch wenn sie sich nicht alle in der schillernden Öffentlichkeit und auf den roten Teppichen bewegen. Und die echte Blake Lively ist schließlich auch nur ein Mensch. Natürlich ist sie dabei groß und schön und blond und sexy und reich und privilegiert, aber warum kann man einer solchen Person nicht ganz normal wie jedem anderen humanen Wesen begegnen? Wieso denken wir immer, wir hätten es bei Hollywood-Stars mit Außerirdischen aus einem anderen Universum zu tun, denen mit besonderer Ehrfurcht entgegen zu treten ist? Irgendwie kann ich diesen Starkult – den ich, obwohl Bunte und Bild nicht zu meiner Standardlektüre gehören, ja selbst auch teile! – nicht ganz nachvollziehen.

Vielleicht aber ist der Hintergrund dieses Hypes gar nicht auf die Berühmtheit, in diesem Fall Blake Lively, bezogen – sondern letztlich doch wieder auf uns selbst. Vielleicht denken wir, wir würden selbst einen Funken Glanz und Gloria erhaschen, wenn wir uns in das direkte Spannungsfeld eines Stars wie Blake Lively begeben. Vielleicht denken wir, sobald wir mit Ryan Reynolds in einem Raum sitzen und im Minutentakt Champagner mit Pfirsichpüree serviert bekommen, wir wären plötzlich selbst wichtig und begehrt – auch wenn diese Illusion nur ein paar Stunden währt, und uns all die  wahnsinnig netten Leute, mit denen wir da am Tisch saßen und Hummer aßen, schon während ihres Rückflugs nach New York längst wieder vergessen haben. Aber so was blendet man gerne aus, wenn man in einer Stadt wie Venedig ist, die irgendwie auch wie eine sterbende Theaterkulisse wirkt. Ein Hollywoodmoment ist sowieso nichts für die Ewigkeit.