Musikrubrik #32

HYMNEN FÜR DEN SWIMMING POOL

Soweit ich zurück denken kann, hat mein größter Lebenstraum stets in der Anschaffung eines Swimming Pools bestanden. Bei meinem ersten halbwegs bewusst erlebten Badeurlaub im Libanon 1997 muss ich Blut geleckt haben – seitdem mussten meine Eltern alljährlich das gleiche klägliche Betteln um ein hauseigenes Schwimmbad über sich ergehen lassen. Um die Verhandlungen positiv voran zu treiben, machte ich dazu bereits im Grundschulalter Vorschläge für die strategisch sinnvolle Platzierung des Beckens im Garten; man könne es im Halbschatten unter der Buche einlassen, sagte ich, oder unter den Apfelbäumen. Ich versprach, mich persönlich um die Reinigung des Badewassers von Laub und Apfelwürmern zu kümmern.

Alles, was ich wollte, war ein Swimming Pool. Sehr genau kann ich mich an einen Spätsommertag im Jahr 2000 erinnern, als wir aus den Ferien zurückkehrten und ich im Garten unseres neuen Hauses eine verdächtige Vertiefung von mehreren Metern Länge und Breite und etwa 40 Zentimetern Tiefe entdeckte. Die mussten die Handwerker während unseres Urlaubs ausgehoben haben. Ich war felsenfest davon überzeugt, es hier mit unserem zukünftigen Swimming Pool in Rohform zu tun zu haben – ungeachtet der Tatsache, dass ein ordentliches Schwimmbecken doch weitaus tiefer ausfallen müsste.

Fünf herrliche Minuten schwelgte ich in der Vorstellung künftiger Sommertage im blau schimmernden Bassin, träumte von bunten Luftmatratzen auf sanft im Wind plätschernden Wogen, Wetttauchen zum Grund des Mosaikbodens und Arschbombencontests mit den Nachbarskindern. Im Geiste plante ich bereits die erste Poolparty mit einer ins Becken eingelassenen Bar, an der man Bananenflip trinken und Karten spielen konnte.

Mitten in die fabelhafte Illusion hinein gesellte sich mein Vater zu mir an den Rand des eckigen Lochs und sagte:

„Und hier kommt die Terrasse hin. Wird gut aussehen.“

Das ist mein Swimming-Pool-Trauma. Terrasse statt Tauchgang – ich war entsetzt. Seitdem ich denken kann, ist der Swimming Pool für mich der Inbegriff von Luxus und Unerreichbarkeit gewesen. Zweifellos würde ich ohne zu Zögern jede geschenkte Prada-Handtasche gegen einen eigenen Swimming Pool eintauschen. Da ist so eine magische Atmosphäre um ein Freiluftschwimmbecken, die, von der Aussicht einmal abgesehen, keinesfalls mit dem Flair einer noch so herrlichen Strandpromenade zu vergleichen ist. Eine künstliche Oase mitten in der Natur, ein blautransparenter Spiegel der Sehnsucht nach Sommer und Urlaub, eine Quelle exklusiver, kristallklarer Erfrischung, ein grell-türkisfarbener Tupfer, wie eine Verheißung beim Landeanflug in einer fremden olivgrünen Landschaft leuchtend.

Interessanterweise geht es dabei oft gar nicht darum, tatsächlich in den Swimming Pool hineinzusteigen. Die bloße Anwesenheit desselben in einer feinen Hotelanlage oder bei einer Gartenparty sorgt für ein ungleich gesteigertes Maß atmosphärischer Noblesse. Die Lichtreflektionen auf der Wasseroberfläche werden zum Scheinwerfer auf die Gesellschaft. „Wie Pilger um einen Tempelteich“ beschreibt Martin Mosebach in Was davor geschah die Sonntagsgäste am Rande des Swimming Pools der Familie Hopsten, ihrerseits in Besitz eines elegant schwarz-gekachelten Exemplars. In François Ozons Film Swimming Pool treibt die magische Anziehungskraft des irisierenden Schwimmbeckens in der südfranzösischen Hitze Hauptdarstellerin Julie gar zum Mord am Liebhaber (frei interpretiert nach Clairette).

Mon dieu. Was gäbe ich für einen Swimming Pool.Das Gute ist, dass ich ein Mensch mit besonders ausgeprägtem Vorstellungsvermögen bin. Nennen wir es ganz unbescheiden mein Talent für DIY-Luxus: ich kann mir zum Beispiel eine weiße Bluse mit Pinselstrichen darauf nähen und dann so tun, als wäre das Stück von Céline und deshalb tausende von Euros wert. Ich kann mir stundenlang kalifornische Hotelsuiten mit dazu passender Urlaubsgarderobe anschauen und dabei vollkommen vergessen, dass ich mir weder einen Quadratmeter des Hotelzimmers noch die High Heels von Louis Vuitton leisten kann.

So what? Gibt es einen größeren Luxus als die Fähigkeit zu träumen? Auch bei meiner Swimming-Pool-Obsession reicht es schon vollkommen aus, wenn ich mir einfach ein Planschbecken auf den Balkon stelle, meinen schönsten Badeanzug anziehe, mir einen Bildband mit den aufregendsten Swimming Pools der Welt anschaue und dabei zur atmosphärischen Krönung die richtige Musik einschalte. Die ist nämlich essentiell beim Heraufbeschwören eines Pool-Ambientes der Extraklasse. Und kostet tatsächlich noch weniger als ein Planschbecken. Lange Rede, kurzer Sinn: hier kommen die besten Swimming-Pool-Soundtracks der Saison.

Headerbild: „Poolside“, von Slim Aarons

Rooftop Pool des Standard Hotel, Los Angeles
Grand Hotel Tremezzo, Comer See
Best Western Motel, Palm Springs (© Style.de)
The Oberoi Udaivilas, Udaipur
Como Shambhala Estate, Bali