Musikrubrik #33: Cocktail-Spezial

MIT HEISSEN TIPPS VOM DATING-GURU CLAIRETTE 


Vor einem Jahr saß ich in Beirut auf einer Dachterrasse und ließ mich von einem Libanesen zum Drink einladen. Monsieur hatte mich ein paar Stunden zuvor im Café auf ziemlich direkte Art und Weise zum Rendezvous gebeten. So sind die Araber, fahren immer gleich schweres Geschoss auf, und zwar ohne Umwege. Ich will mit dieser Geschichte gar nicht angeben – es gibt ja Frauen, die ihre Knutschflecken wie das Bundesverdienstkreuz durch die Gegend tragen, da gehöre ich definitiv nicht dazu. Quasi im Vorbeigehen nach einem Date gefragt zu werden passiert mir sonst nie.

Auf besagter Dachterrasse genoss ich nun also endlich einmal die Gesellschaft eines vollblütigen Südländers und wollte ob der Exklusivität dieser Situation alles richtig machen. „Was willst du trinken?“, fragte er und plötzlich fiel mir siedend heiß wieder ein, warum ich eigentlich kein Fan von Rendezvous bin: ich weiß nie, was ich zu trinken bestellen soll, weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Wahl eines uncoolen Cocktails einen maßgeblichen Einfluss auf den Verlauf des Abends haben kann.

Ich behaupte: unsere Performance am Bartresen sagt einiges über unsere allgemeinen Lebensgewohnheiten aus. Die Weißweinschorle bestellen Leute mit hohen moralischen Ansprüchen. Sie vertreten die 10-Dates-Regel, zählen auch beim Trinken Kalorien und tippen unterm Bartresen heimlich To-Do-Listen für den nächsten Tag ins Handy. Rotwein-Trinkerinnen signalisieren Kultiviertheit und unterschwellige Arroganz, weil ein Glas Bordeaux immer gleich so elitär und elegant aussieht, seltener zum Komasaufen und häufiger zur Unterstützung eines pseudo-philosophischen Auftretens missbraucht wird.

Gin Tonic, dem meiner Ansicht nach immer ein leicht dentalklinischer Beigeschmack anhaftet, bestellen Fantasielose, Nostalgiker, Langweiler und Konservative gleichermaßen. Der Gin Tonic ist die Jeans unter den Cocktails: wird nie unmodisch, steht Jungen wie Junggebliebenen, entbehrt dabei allerdings auch jeglicher Originalität. Dann haben wir noch so Sachen wie Piña Colada, jene teuflische Kombination aus Rum, süßer Sahne, Kokosnusscreme und Ananassaft, den Frauen bestellen, denen es total egal ist, wie sie auf Männer wirken, in diesem Fall nämlich wie maßlose Schleckermäuler, bei denen Mann unter keinen Umständen fragen kann und will, ob er mal einen Schluck probieren darf. Und Zombie, der aus vier verschiedenen Sorten Alkohol besteht und den jene Sorte von Frau gerne wählt, die sich nach nur einem Drink mit dümmlichem Grinsen am Glas festklammert und dabei bekundet, wie betrunken (=startklar zum Abschleppen) sie bereits ist.

Dass all diese Zuschreibungen natürlich vollkommen willkürliche Vorurteile  sind, versteht sich von selbst. Allerdings ist die Zerstörungskraft von Klischees gerade beim ersten Rendezvous nicht zu unterschätzen. Um es kurz zu machen: auf der Beiruter Dachterrasse bestellte ich einen Lychee Martini, eine Abwandlung des klassischen 007-Getränks (merke: James Bond als Trinkvorbild ist grundsätzlich nie verkehrt), bei der die Olive durch eine rosa Lychee ersetzt wird, was dem maskulinen Drink einen charmanten Anstrich verleiht.

Kein allzu schlechter Schachzug. Sein Kommentar (er trank übrigens Whiskey auf Eis):“Ich hatte schon Angst, du würdest Bier trinken.“ Das hatte ich tatsächlich insgeheim vorgehabt, um mal so richtig cool und deutsch rüberzukommen. Heute bin ich schlauer und weiß, dass (libanesische) Männer keine allzu kumpelhaften Frauen mögen. Heißer Tipp von Dating-Guru Clairette: unbedingt etwas dezent Feminines, latent Undurchschaubares, in jedem Fall Unvorhersehbares wählen.

Für alle Ratlosen, die sich nichts unter einem undurchschaubaren Cocktail vorstellen können, gibt es heute passend zum Wochenende 5 Empfehlungen für brillante Drinkbestellungen, ausgewählt von meinem Onkel, der ebenfalls Libanese ist und obendrein Beiruts bekanntester Bartender – also genau der richtige Ansprechpartner. Als Minzblatt obendrauf: 5 hochwertige Musiktracks. Schließlich lässt sich das Problem der richtigen Getränkewahl mit der Frage nach dem persönlichen Musikgeschmack vergleichen, auf die man sich bei jedem durchschnittlichen Date ebenfalls gefasst machen muss. Die dümmste aller Antworten:“Ich höre alles, bis auf Tokio Hotel“ ist auf der Skala von 1 bis dämlich ungefähr gleichzusetzen mit der Bestellung eines halbtrockenen Rosé-Sektes. In Zukunft können wir uns beides sparen.cest-clairette-blog-3

Gin, Limette, Gurke


cest-clairette-blog-6

Wodka, Zuckersirup, Zitrone, Pampelmuse, Soda

cest-clairette-blog

Gin, Tonic, Dill

cest-clairette-blog-2

Weißer Rum, Zitrone, Ingwer, Zitronengras

cest-clairette-blog-4

Brandy, Arak, Peychaud’s Bitters, Zitrone, Orangenschale, Soda