Vor ein paar Jahren fuhren wir in den Sommerferien nach Südtirol. Der Ort, in dem wir logierten, nannte sich Schenna und lag oberhalb von Meran, eingerahmt von grünen Apfelplantagen und gezackten Berggipfeln. Freunde meiner Eltern hatten uns ein Hotel namens Schwefelbad empfohlen. Verdächtiger Name, gell? Die Webseite des Hotels zeigte „Impressionen“ von dunkelhaarigen Frauen, die auf Bettkanten herumfläzten, Pärchen in weißen Bademänteln, die am Swimming Pool mit Aperol Spritz anstießen und Panoramaansichten teppichverkleideter Hochzeitssuiten. In Südtirol sehen viele Hotelfotos so aus, man muss da nicht gleich misstrauisch werden. In der Regel handelt es sich um freundliche Etablissements mit wirklich guten Frühstücksbüfetts. Wir ließen uns darauf ein.
Das Hotel Schwefelbad sah genau so aus wie die Internet-Impressionen versprochen hatten. Auf der Terrasse standen diese komischen schwarzen Outdoor-Sofas aus Plastikbast, die sich die Leute immer anschaffen, wenn sie mit ihrem modernen Lifestyle angeben wollen. Wir verbrachten keinen einzigen Tag am Schwimmbad, sondern flohen jeden Tag in die Berge oder nach Bozen, denn in der Swimming-Pool-Region herrschte eine Atmosphäre wie in einer Kreuzberger Badeanstalt. Das Schwefelbad ging mir derart auf die Nerven, dass ich bald jeden Hotelgast verdächtigte, ins Becken gepinkelt zu haben.
Bestellte man mal einen Teller sogenanntes Bruschetta, bekam man ein aufgetautes Dr.-Oetker-Pizzabaguette serviert. Das in der Halbpension inbegriffene Abendessen, aus dem wir uns nach einem schockierenden Testerlebnis auf der Stelle ausbuchen ließen, fand in einem Wintergarten auf rosa Polstern statt, komplett inklusive Rotkäppchen-Sekt zum Aperitif und Tiefkühlfisch mit aufgespießten Lavendelstängeln. Das Schwefelbad scheiterte kläglich an dem Versuch, mit allen Mitteln einen auf Grand Hotel machen zu wollen. Jede noch so spartanische Berghütte mit Plumpsklo wäre mir lieber gewesen.
Schätzungen der C’est-Clairette-Redaktion zufolge fallen jedes Jahr Millionen unschuldiger
Sonnenanbeter auf die Urlaubsempfehlungen ihrer Freunde herein. Das liegt nicht daran, dass diese Leute mit boshaften Menschen befreundet wären. Es ist ganz einfach: ein Urlaub ist wie ein maßgeschneidertes Cocktailkleid. Man kann es nicht verleihen. Es muss perfekt sitzen, sonst ist der ganze Aufwand umsonst. Anstatt sich der Bequemlichkeit halber blind auf Vorschläge aus seinem Freundeskreis einzulassen, lohnt es sich deshalb, vor der Reise herauszufinden, welcher Urlaubstyp man tatsächlich ist. Was will ich? Bekanntschaften im Swimming Pool schließen oder unberührte Bergseen entdecken? Was brauche ich? Sieben Tage Standby-Modus in der Hängematte oder siebenstündige Wanderungen durch afrikanische Steppenlandschaft? Was kenne ich noch nicht? Welcher Ort „steht“ mir? Und natürlich: was ziehe ich da an? Letzteres ist viel wichtiger, als man denkt: ich persönlich bin jedenfalls der festen Überzeugung, dass der Inhalt meines Koffers sehr viel darüber aussagt, welche Art von Urlaub ich anstrebe.
Wer noch nicht weiß, wo die Reise in diesem Jahr hingehen soll, für den haben wir hier Clairette’s ultimativen, tiefenpsychologischen Urlaubstypen-Guide mit passenden Destinationsvorschlägen und Garderobentipps zusammengestellt. Alle Kategorien eint, dass es sich dabei natürlich nur um Orientierungshilfen handelt. Das Hotel sollte man auf jeden Fall selbst aussuchen.
Die Entdeckerin
Hauptsache, der Boden unter mir ist unberührt! Die Entdeckerin ist das Rotkäppchen unter den Reisetypen: sie lässt sich gern vom Weg abbringen. Gorillas beobachten im Kongo, Helikopter fliegen in Kenia, Camping in Uruguay oder Kamelreiten in Marokko – das oberste Urlaubsziel der Entdeckerin ist es, größtmöglichen Abstand zwischen sich und die Alltagsroutine zu bringen. Da es bei solchen Abenteuertrips auch mal gefährlich werden kann, wird empfohlen, das Reisegepäck durch eine handliche Wasserpistole zu ergänzen.
Die Verliebte
Wirklich verliebte Menschen können wahrscheinlich jeden noch so trostlosen Ort hoffnungslos romantisch finden. Andererseits: wann macht man schon mal Romantikurlaub? Die Insel Hydra gilt als Juwel der griechischen Inseln. Hier fahren keine Autos, es gibt keine Ausgrabungsstätten oder Nationalmuseen, man kann also guten Gewissens den ganzen Tag am Meer liegen und Liebhaber und Sonne anbeten. Die verliebte Frau braucht außer einem Badeanzug nicht viel Gepäck: ein elegantes Sommerkleid, ein Spitzenunterhemd, einen schönen Ring, um ihn daran zu erinnern, dass es langsam mal Zeit wird für den Heiratsantrag – und das schöne Gesellschaftsspiel namens Kuss-Quartett, nur für den Fall, dass die Romantik nach ein paar Tagen doch mal einschlafen sollte…
Kariertes Midikleid von Dolce & Gabbana, Camisole mit Spitze von Mes Demoiselles, Ring von Margova, Kuss-Quartett von Edition 8×8
Die Bildungshungrige
Ein Urlaub ohne neue Weisheiten und Erkenntnisse sorgt bei der Bildungsreisenden für Unwohlsein. Habe ich nicht doch irgendeine Ausgrabung verpasst? Eine Kirche nicht besucht, einen Tempel nicht besichtigt, einen Aussichtspunkt ausgelassen? Erholung bedeutet für die Bildungsreisende, den Geist auf neue Gedanken zu bringen. Nach achtstündigem Bildungsspaziergang durch Rom/Jerusalem/St. Petersburg würde man diesem Typus gerne etwas Entspannung gönnen. Hotelzimmer mit Fernseher werden allerdings kategorisch abgelehnt. Was nimmt diese Streberin also mit, außer bequemer Schuhe, seriösem Blazer und Sonnenbrille? Köhlmeiers „Sagenbuch des klassischen Altertums“ natürlich, griechische Märchen im Unterhaltungsformat.
Die Hyperaktive
Die It-Touristin
Tulum gilt als das „Williamsburg von Mexiko“, muss also ein Ort sein, an dem man urlaubt, um gesehen zu werden. Die ideale Destination für den Reisetyp It-Girl! It-Touristinnen dürfen auf ihre It-Reisen natürlich nur It-Klamotten mitnehmen: mörderische High Heels, einen Minirock mit Kaktus-Print, eine Handtasche, die laut YES! schreit. Hauptsache, man sieht so aus, als verbringe man einen königlich amüsanten Urlaub. Wichtig für das Reisegepäck: eine Flasche arabisches Orangenblütenwasser, das man seinen Mitreisenden als neuesten Schrei der Beauty-Industrie verkauft, obwohl man insgeheim nach Bezahlung von kostspieliger Garderobe und teurem Hotelzimmer einfach kein Geld mehr für echte Schönheitsprodukte übrig hatte. Arabisches Orangenblütenwasser kostet 2 Euro pro Flasche und wirkt verjüngend, erfrischend, durchblutungsfördernd. Man muss nur daran glauben.
– In Kooperation mit Anita Hass –