Es heißt ja immer wieder, jeder Mensch sei anders, nämlich ein einzigartiges, unvergleichliches Individuum mit einmaligen Fingerabdrücken und Charaktereigenschaften. Aber gerade die kleinen Dinge des Alltags, und dazu zählen auch und vor allem Luxusprobleme, beweisen zuletzt, dass wir uns im Großen und Ganzen doch ziemlich ähnlich sind.
In den sozialen Netzwerken kursiert seit einiger Zeit ein Meme, das offenbar den Seelenzustand der gesamten Internetgemeinde in nicht mehr als 18 Wörtern zusammenfasst. „Story of my life“ posten die User darunter, sobald es irgendwo auftaucht, und daneben eins von diesen Smileys: 😂. Da steht:
Schon der dramaturgisch geniale Satzbau verrät die Universalität dieser Aussage. Man freut sich und ist erleichtert, wenn man einen solchen Satz liest, denn er macht uns alle zu Komplizen im Kampf gegen die kleinen Leiden des Lebens, die wir, bevor sie endlich mal einer offen thematisierte, immer nur für unsere eigene, private Bescheuertheit hielten. Man sieht es den anderen halt (leider) nicht an, ob bei ihnen gerade alles an Ort und Stelle ist oder im Schuh eine Socke abwärts gleitet und dieses total unangenehme Gefühl von Kontrollverlust verursacht. Man spürt es immer nur bei sich selbst, ärgert sich darüber und wagt es trotzdem nicht auszusprechen, weil, so was Blödes wie eine rutschende Socke, das kann ja wohl nur mir passieren. Vergleichbar unangenehm und ähnlich weit verbreitet sind Zwangslagen wie die in der Pofalte eingeklemmte Unterhose oder der anhaltende Juckreiz an Körperstellen wie Hinterbacke oder Brustwarze, denen in aller Öffentlichkeit leider nur schlecht entgegen zu wirken ist.
Das Problem dieser Probleme wurzelt in ihrer Unsichtbarkeit. Man fühlt sich allein mit seiner rutschenden Socke, seiner eingeklemmten Unterhose, diesem schrecklichen Gefühl, dass, auch im metaphorischen Sinne, nichts am richtigen Platz ist, alles aus den Fugen gerät, man ein durch und durch verwirrtes Bild abgibt, während um einen herum immer alle perfekt gebügelt und geföhnt herumlaufen und so aussehen, als sei bei ihnen nie irgendwas am rutschen.
Warum gehen wir mit diesen Gefühlen nicht offener um, anstatt uns heimlich für Sachen zu schämen, die uns als unperfekte, schwitzende und im Großen und Ganzen gleich eklige Menschen sowieso alle betreffen? Ich mache mal den Anfang: Meine Unterhose schneidet mir gerade höllisch in den Schritt, Socken habe ich heute gar nicht erst angezogen, stattdessen spüre ich, wie meine schwitzenden Fußsohlen allmählich am Innenfutter meiner heiß gelaufenen Schuhe festkleben, und meine Achselhöhlen fühlen sich mal wieder an wie eine Kreuzung aus isländischem Hot Pot und Niagarafällen.
Wir werden diese Alltagsübel nicht aus der Welt schaffen. Gerade deshalb wäre es schön, wenn die Gesellschaft sie offener anerkennen würde. Vielleicht könnten einflussreiche Leute wie Modedesigner und Hollywood-Stars mit gutem Beispiel vorangehen. Karl Lagerfeld könnte die Models in seiner nächsten Show mit rutschenden Socken auf den Laufsteg schicken. Und Kendall Jenner könnte in ihrem nächsten Interview bekennen: „Meine Unterhose kneift!“