Fisch mit Fisch

EIN LIEBLINGSORT IN MAILAND: DAS RESTAURANT I PESCIOLINI

IMG_5033Nichts ist schöner als das Gefühl, in der Welt zuhause zu sein. Man muss dafür nur zwei einfache Regeln beachten. Erstens: offen für Neues sein. Wer sich nicht davor fürchtet, in den brasilianischen Dschungel zu fahren, wird sich dort auch nicht verloren fühlen. Es gibt Menschen, die genug Geld hätten, um jedes Jahr die Welt zu umrunden. Stattdessen verbringen sie ihre Sommer auf Sylt und die Winterferien in Oberlech. Ich war mit drei Jahren das erste Mal im Libanon und verbrachte die Hälfte der 10. Klasse an einem Mädchen-Internat in Südafrika. Das war nicht immer einfach, aber es hat mich geprägt: ich habe praktisch keine Angst vor fremden Orten.

Zweitens ist es gut, wenn man auf der Welt Plätze kennt, an die man zwischen all der Globetrotterei immer wieder gerne zurückkehrt. Diese Regel habe ich von meinen Eltern, ihrerseits leidenschaftliche Weltentdecker, die aber alle Jahre wieder in ein alten Herrenhaus zwischen Froschteichen und Platanenwäldern in Südfrankreich fahren. Ich darf an dieser Stelle den Namen des Hotels nicht verraten, denn meine Mutter hat mir das Versprechen abgenommen, diesen verwunschenen Ort geheim zu halten, damit meine Eltern dort bis in alle Ewigkeit ihre Ruhe vor anderen deutschen Touristen haben. Wenn man in der Welt ein zweites Zuhause gefunden hat, dann muss man es beschützen.

Auch ich habe so meine Lieblingsplätze, an die ich immer wieder gerne zurückkehre. Weil ich nichts für mich behalten kann, empfehle ich sie in dieser Kolumne in loser Reihe. In diesem Jahr war ich schon zweimal in Mailand und dreimal im Restaurant I Pesciolini. Es liegt auf dem Corso di Porta Romana im Süden der Stadt gegenüber von einem braunen Hotelkasten, aber von diesem Ausblick darf man sich nicht beirren lassen, wenn man auf dem Trottoir sitzt und der Verkehr vorbeizischt. Mailand ist stellenweise grotesk hässlich, aber das ist Berlin ja auch und wir lieben es trotzdem beziehungsweise gerade deswegen. Im Januar war das I Pesciolini, eigentlich mehr Fischgeschäft mit Terrasse als Restaurant, der einzige Laden, der mir bei meiner Ankunft in der Stadt um 11 Uhr abends noch was zu essen servierte. Seitdem komme ich wieder.

Zunächst einmal ist es schön, dass man sich sein Essen hier im Rohzustand anschauen darf, bevor es auf den Teller kommt. Das gibt einem ja immer gleich dieses beruhigend unverfälschte Von-der-Natur-in-meinen-Mund-Feeling. In der Glasvitrine liegen dicke glänzende Lachse, Steinbutte, Langusten und Jakobsmuscheln auf Eiswürfeln gebettet. Hinter der angrenzenden Scheibe kann man aus einer Auswahl an kalten und warmen Antipasti und Salaten wählen. Das Tongeschirr ist hübsch bemalt, jeder Teller sieht anders aus. Ich bestelle immer das Gleiche: Farfalle mit Scampi und Zucchini, eingelegte Paprika, Salat aus Kartoffeln und Octopus, und eine Portion Thunfisch in Tomaten-Oliven-Kapern-Sud. Dazu gibt es Brot, knusprige Kringelchips und ein Glas gekühlten Weißwein.

Ins I Pesciolini kann man sehr gut alleine gehen. Ich bin ja manchmal sogar ganz froh, ohne Gesellschaft zu speisen: so kann niemand die Menge an Essen kommentieren, die ich mir bestelle – hier meistens als Belohnung nach einer anstrengenden Modewoche mit Bussi-Bussi-Begegnungen, Flying-Dinner-Tellerchen, von denen ich nie satt werde, und wahnsinnig dünnen Models auf den Laufstegen, deren Anblick allein schon hungrig macht. Nach dem Essen trinke ich einen Espresso und mache einen Verdauungsspaziergang durch den in der Nähe gelegenen Giardino Della Guastalla. Danach ist fast schon wieder Platz für ein Eis.

Adresse: I Pesciolini, Corso di Porta Romana 51.