Erfolg macht chic, aber Chic auch erfolgreich?

Zivil mit Stil: Berufliche Termine außer Haus? Jederzeit gern. Aber dabei will man doch bitte nicht aussehen, als säße man noch am Schreibtisch. Hier ein paar Empfehlungen für unterwegs“
 
Diese amüsante Einleitung las ich kürzlich unter der Rubrik “Stil Leben“ im aktuellen SZ Magazin. Die anschließende Modestrecke, sowohl stilistisch, modisch und fotografisch als auch grafisch in meinen Augen hervorragend umgesetzt, empfiehlt den Leserinnen, von denen sicherlich einige viel beschäftigte Businessfrauen sind, knackige und hochmoderne Looks für den Alltag als Vorstandschefinnen und Unternehmensberaterinnen.
Wie gut, dass es in Deutschland mittlerweile immer mehr junge Damen gibt, die mit Eifer und Intelligenz die Karriereleitern der großen Firmen erklimmen. Dem kreativen Modevolk haben sie es zu verdanken, dass sie dabei auch noch gut aussehen dürfen, zumindest gefallen mir die vom SZ Magazin zusammengestellten Outfits außerordentlich, beispielsweise bestehend aus einem Hahnentritt-gemusterten Anzug mit passender Bluse von Salvatore Ferragamo, trés chic; und auch die Kombination aus knallblauer Céline-Bluse und Lederrock zu Hermès-Schultertasche und Streberbrille sorgt in der modisch betrachtet eingestaubten Chefetage sicherlich für frischen Wind.

Überhaupt ist zu bemerken, dass sich die Arbeitswelt allmählich von modischen Konventionen und kleidungstechnischen Gesetzen zu lösen scheint. Zum Geschäftsessen dürfen ambitionierte und zugleich modebewusste Karrierefrauen durchaus auch in feinsinnigeren und innovativeren Outfits erscheinen, ja, auf den biederen Hosenanzug aus dem Kaufhaus darf getrost verzichtet werden. Labels wie Céline bieten Röcke und Kleider in angenehmen Farben und interessanten Schnittführungen an, die in kniebedeckender Länge für den strengen Arbeitsalltag gut geeignet sind und dabei nicht auf modische Raffinesse verzichten.
Eine weitere Befreiung von modischen Konventionen also? Nicht ganz. Denn Extravaganz und Avantgarde stehen weiterhin stramm vor den strikten Regeln der seriösen Arbeitswelt. Man wird eine noch so kompetente Konzernchefin unter keinerlei Bedingungen im Bananenkostüm von Prada antreffen, ebenso wenig, wie die renommierte Steuerberaterin beim nächsten Termin in Jeansjacke zum gepunkteten Minikleid erscheint. Oben abgebildete Outfits mögen chic und ansprechend, jedoch keinesfalls besonders innovativ oder individuell sein. Auf modische Innovation und Individualität mit charmanten, wenn nicht sogar humorvollen Details ist Businessmode nun mal nicht ausgerichtet. In allen möglichen Lebenslagen darf man heutzutage im beliebigster Kleidung erscheinen, nur im seriösen Job nicht. Also keine Emanzipation der Berufskleidung.
Anscheinend wird Modebewusstsein immer noch mit beruflicher/fachlicher Inkompetenz gleichgesetzt, warum sonst sollten die kleidungstechnischen Regeln im Berufsleben so strikt und verstaubt sein? Ich bin doch nicht dümmer als Bewerberin Nummer 2, nur weil ich eine Schwäche für fröhliche Bananendrucke habe und sie im braven P&C-Outfit daherkommt! Nun ja, trotzdem wirke ich modisch freizügiger gekleidet schlicht und ergreifend unseriös, ganz so, als hätte ich lauter Flausen im Kopf, die mich vom ernsthaften Arbeiten abhalten könnten. Modebewusstsein steht im Allgemeinen leider immer noch für dämliche Oberflächlichkeit.
Aber vielleicht werden die Herren (und Damen) Arbeitgeber eines Tages einsehen, dass schöne, ausgefallene Kleidung und qualitativ hochwertige Arbeit durchaus gut zusammenpassen können. Vielleicht werden sie sogar erkennen, dass sich Kunden von einer Dame im fröhlichen Obstprint-Kleid viel lieber beraten lassen, als von Fräulein Bieder im Karstadt-Anzug. Mir darf es ja eigentlich egal sein. Ich möchte später sowieso etwas im Bereich Mode machen. Da darf ich anziehen, was ich will, ohne für dämlich gehalten zu werden. Oder?