Unter erfinderischen Modemenschen hat sich in den letzten Jahren zunehmend ein Hang zu nahezu expressionistischen Outfits breitgemacht. Auf der einen Seite besteht bei vielen natürlich weiterhin die Liebe zu Minimalismus und Geradlinigkeit, während immer mehr Mutige offenbar ungeniert und wüst und wild sämtliche Kleidungsstücke und Accessoires, die der Kleiderschrank so hergibt, in einem einzigen Outfit zu kombinieren wissen (oder versuchen).
Streetstyle-Fotografen lieben diese Straßen-Eyecatcher. Entzückt knipsen Tommy Ton und Kollegen ein Bild nach dem anderen von besagten Herrschaften, die Blumensöckchen zu Killerheels, knallbunte Gummiarmbänder und schillernden Goldschmuck mixen; luxuriöse, orangefarbene Wollmäntel mit allerlei bunten Anstecknadeln vom Flohmarkt dekorieren, mindestens drei, in einigen Fällen vier verschiedene Handtäschchen in allen erdenklichen Variationen und Mustern transportieren, opulenten Haar- und Halsschmuck tragen, und zu guter Letzt meist auch noch mit weiterem sperrigem Firlefanz wie Vespa-Helm, Kaffeebecher und Moleskine-Büchlein bepackt durch die Gegend flanieren. Manchmal fragt man sich dabei: haben diese Damen eventuell ein oder zwei weitere, uns Normalsterblichen unsichtbare Arme?
Bei der
VOGUE UK ist man über jene Modeerscheinung jedenfalls scheinbar ganz außerordentlich begeistert, und aus diesem Grund haben die verantwortlichen
fashion editorsund
creative directors der mutigen Street-Fashion-Crowd in der aktuellen Magazinausgabe gleich eine ganze, höchst aufwendige Modestrecke gewidmet, unter dem vielversprechenden Titel „Style Hunter“.
Wer eine detailreiche (und sehr wahre) Beurteilung dieses herrlich idiotischen Spektakels lesen möchte, dem sei an dieser Stelle gleich
Anne Feldkamps Berichterstattung auf
Blica empfohlen. Um hier nur schnell eine kleine Kostprobe des amüsanten Posts unter dem Titel “
Manieristische Labelschau“ zu zitieren:
ein wahrer accessoire-tsunami fällt einem in der fotostrecke style hunter der britischen vogue entgegen – gleichzeitig aber auch eine lässige persiflage auf die streetstyle-detailshots eines tommi ton, deren opulenz das auge fast schon überfordert.
Da Anne alles Nötige und Wahre zu besagter Modestrecke bereits sehr treffend aufgeschrieben hat, möchte ich gar nichts weiter ergänzen, sondern frage mich hingegen: kann auch ich, als stinknormales deutsches Modemädchen, mit einem derartigen Über-Look aufwarten? Und, wenn ja, wie fühlt man sich eigentlich so opulent dekoriert, insbesondere wenn man wie ich ja eigentlich eher minimalistische Outfits bevorzugt? Ein Selbstversuch.
Hier sieht man mich nun, mit angestrengt koketter Mimik, im albernen und zugleich wahrhaft spaßigen Streifen-Klimbim-Firlefanz-Schnickschnack-Look. Nun ja, vielleicht könnten hie und da noch ein Schwall Armreifen, ein knallbunt gemusterter Mini-Wollpullover, Hut, rosa Pelzstola und vier weitere Handtaschen ergänzt werden. Aber für den Anfang sollten das Kleid von
COS, die Kastenjacke von lecompte, die
Kette von Gonzalo Cutrina, die Schuhe von
Topshop, die Söckchen von
Falke, hochtrabende Literatur (
Lolita von Vladimir Nabokov), der obligatorische
Moleskine-Kalender, das Vintagetäschchen und der Plastikschirm mit aufgedruckter New-York-Skyline erstmal reichen, oder nicht?