Finanzloch und Frohsinn

Es gibt da diesen speziellen Geisteszustand, der vom rationalen Denken ungefähr so weit entfernt ist wie die Erde von der Sonne, sich vom komplett ausgeschalteten Gehirn ausgehend (irgendwo muss der Impuls schließlich herkommen) mit rasender Geschwindigkeit wie ein warmer Strom in allen Adern des Körpers ausbreitet und zu mittelschweren bis extremen Raseritis-Anfällen durch Haus und Hof führt – Raseritis, das ist dieser durch Begeisterungsstürme oben beschriebener Art ausgelöste Dauersprint, der deshalb durchgeführt werden muss, weil man einfach viel zu glücksgeschüttelt ist, um ruhig und geordnet auf der Stelle stehen zu können.

Gerade also hatte ich diesen speziellen Geisteszustand, und derzeit koste ich noch immer genussvoll die herrlichen Nachwirkungen aus. Woher dieses enorme Glücksbeben kommt?
Soeben hielten die netten Jungs von UPS vor meiner Haustür. Aus dem Schlund ihres braunen Lieferwagens fischten sie ein quaderförmiges Paket heraus, frisch aus dem hohen Norden herbei geflogen. Darin lag, unter luftig-herrlichen Lagen von altrosa Seidenpapier, Rita.

Nun ist der Moment gekommen, in dem mich mein geschätztes soziales Umfeld für vollkommen durchgeknallt erklären darf. „Claire, liebes Kind, hast du denn keine relevanteren Dinge im Kopf, als dir diese traumhaft-geschnittene Jacke aus butterweichem Kalbsleder, mit flauschigem Lammfellkragen und zartrosa Innenleben, zu kaufen? Ist das nicht ein bisschen viel Luxus für so eine kleine Siebzehnjährige wie dich? Was wirst du denn in 10 Jahren tragen, wenn du dir jetzt schon ein derart glamouröses Kleidungsstück von Schwedens genialstem Modehaus, nämlich Acne, gönnst?“
Ich muss sagen, angesichts des zwar herabgesetzten, für meinen bescheidenen Geldbeutel jedoch immer noch utopischen Haufen Geld, den ich für dieses schnieke Stück ausgeben habe, fühle ich mich auch ein bisschen hirnverbrannt. Aber nur ein bisschen. Denn ich finde, dass der Mensch ein, zwei geliebte Habseligkeiten im Schrank haben dürfen sollte. Dinge, die man sich durch fleißige Flohmarktgeschäfte, Kinder hüten und Rasenmähen finanziert. Einzelstücke, für die man voller Freude ein mittelmäßig tiefes Finanzloch in sein Konto gräbt, anstatt sich einen Berg kurzlebiger Billigklamotten zu kaufen, der nach drei Monaten sowieso in der hintersten Kleiderschranknische schmort.
Christiane Arp, Chefredakteurin der deutschen VOGUE, schrieb dazu übrigens neulich im Editorial:

Neue Erkenntnisse der Psychologie und Konsumforschung erteilen dem Shopping, der Vorstufe zur Habseligkeit, einen Freispruch im Anklagepunkt seelenloser Materialismus: Wir beurteilen nämlich den Wert einer Sache höher, so die Wissenschaftler, sobald wir sie besitzen. Von etwas zu träumen ist demnach quasi nur das halbe Glück.(…) Karl Lagerfeld liefert eine Begründung, warum uns Mode immer wieder aufs Neue so „habselig“ macht: „Kleider werden gemacht, damit die Leute glücklich sind.“ Lagerfeld at it´s best. Kurz, knapp, wahr.

Also: Ein wenig luxuriöser Spaß im Leben darf sehr wohl sein! Anderen ist es ein Vergnügen, sich ein iPad zu kaufen, mir macht eben Mode Spaß, und eben deshalb grinse ich hier so ambitioniert in die Kamera, und amüsiere mich einfach prächtig mit meiner neuen besten Freundin Rita.
(Dazu trage ich übrigens einen Vintage-Rock und Dr. Martens)